Paulund die schwarze Witwe |
Paul hat ja bekannterweise ein künstlich herbeigeführtes reproduktives
Handicap, unser Egoismus hat dazu geführt, dass es keine kleinen Paulchens
geben wird. Eine Maßnahme, die unter dem Gesichtspunkt des Elends der vielen
streunenden Katzen die es hier gibt sicher richtig ist, dennoch bleibt bei
mir persönlich neben einem latent auftretenden Ziehen in der Leistengegend
auch noch ein bohrendes Schuldgefühl, ihm diese kleine Freude und Lebenssinn
geraubt zu haben. Gut, er weiß nichts davon und hinterfragt auch nicht die,
nun so sinnlosen und leeren Beutelchen zwischen seinen Hinterbeinen. Paul
denkt ja auch es ist normal, ständig von irgendeinem großen zweibeinigen
Katzenbruder über die Terrasse getragen zu werden und Nahrung, die wächst in
Dosen verpackt im Kühlschrank heran, was übrigens teilweise sogar meinem
Weltbild entspricht, da Einkaufen nicht zu meinem natürlichen Lebensablauf
zählt. - Ich fühle mich grundsätzlich nicht wohl in diesen großen Hallen, wo
mehr zu Essen herumsteht, als ich vertilgen kann. In Getränkehandlungen
fühle ich mich allerdings etwas sicherer.
Es geht aber um Paul und nicht um meinen Stoffwechsel. Mephisto weiß nicht
was er könnte, wenn er es könnte. Sie wissen schon, das... Diese, eigentlich
sonst häufig bei Humanoiden ebenso auftretende Verwirrung, allerdings selten
im reproduktiven Zyklus, sondern in der Kommunikation der beiden
Gehirnhälften, führt bei Außenstehenden oft zu Missverständnissen und zu der
grundsätzlichen Aussage: "Ich weiß nicht, was du von mir willst". - Paul
trifft sich hin und wieder mit einer erfahren aussehenden schwarzen
Katzendame, von uns inzwischen "Schwarze Witwe" getauft. Er hat diese uns
sogar schon mal vorstellen wollen, aber Sie wissen ja wie das ist, das erste
Auftreten der möglichen Schwiegertöchter gerät meist zu einem Fiasko. Nun,
an uns soll es grundsätzlich nicht liegen, was ist schöner als eine
platonische Beziehung zwischen einem kastrierten Jungkater und einer
betagten Katzendame? Das ist das Problem, wenn Menschen anfangen zu denken
und auf intellektueller Basis natürlich Abläufe steuern wollen, als hätte
der Geist eine Chance gegen Hormone, Drüsen und das verflixte limbische
System.
Die schwarze Witwe macht ganz eindeutig klar, was sie von unserem Paul will,
selbst wir begreifen das, nur der arme hormonlose Kater tritt verlegen von
einem Bein auf das andere und fragt das quäkende schwarze Ding ein ums
andere Mal: "Ich weiß nicht, was du von mir willst?" Lass uns doch einfach
Freunde sein scheint Paul vorzuschlagen, dass sieht "Veuve Cliquot Noir"
ganz anders und gibt sich nicht zufrieden mit gemeinsamer Mäusejagd und
partnerschaftlicher Fellpflege. Sie zieht dann immer beleidigt ab und
hinterlässt einen völlig verstörten Kater, der einfach nicht weiß, was er
falsch gemacht hat. - Gut, das geht mir manchmal auch so, ganz ohne
Kastration, meine Frau klärt mich aber frühestens 72 Stunden später darüber
auf, was ich falsch gemacht habe. - Viel, viel Aufbauarbeit steht uns dann
immer ins Haus mit Paul, er ist doch so sensibel wenn er nicht gerade den
Mephisto spielt. Allerdings müssen wir nun doch langsam was gegen das
Daumenlutschen unternehmen, das gibt schlimme Kiefergeschichten und wenn ihn
seine Katzenkollegen so sehen könnten, dann wäre er bei denen eh unten
durch. Wer ist glücklicher, der wissende Eunuch, oder der, der nicht weiß
was ihm fehlt?