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Kein legaler Weg nach Europa


Der gescheiterte Versuch einen Jungen aus Guinea zu adoptieren, versucht von Antje Dieckmann aus Garafía



Ibru ist zwölf Jahre alt, wenn es stimmt, denn so ziemlich alles, was er auf meine Fragen antwortet, ist gelogen, aber das wissen wir beide. Ibru ist ein Junge mit glitzernden Augen und schwarzer Haut. Er passt auf mich auf wie ein kleiner Hund. Ibru hat grosse Angst vor dem Meer. Erst nach langem Überreden traut er sich an meiner Hand ins Wasser, aber nun spielt er schon seit Stunden mit den Wellen, er paddelt und patscht, und es ist eine Freude, ihm zuzusehen. So eine schöne und unbeschwerte Zeit hat er wohl selten in seinem Leben, vielleicht noch nie - und so sauber war er auch noch nie.

Ibru



ibru            Ibru hat noch nie ein Eis gegessen, einen Film angeschaut oder in einem Bett geschlafen.

Er besitzt nichts, ausser dem, was er bei sich trägt.

Er hat kein Zuhause, keinen Geburtstag, keine Vergangenheit und keine Zukunft.

Ibru ist noch nie zur Schule gegangen, obwohl es sein grösster Wunsch wäre.

Er kann nicht lesen und schreiben, aber wenn er Musik macht oder trommelt, spricht ganz Afrika aus ihm.

Hier trommeln alle, Tag und Nacht, aber wenn Ibru trommelt, ist er der Erste, alle folgen seinem Rhythmus. Seine Handflächen sind hart wie Holz, seine Hände bewegen sich schneller, als man schauen kann, aber wie man einen Schreibstift oder einen Löffel hält, muss er erst lernen. Erst malen wir, dann schreiben wir seinen Namen und alle, die uns sonst noch einfallen. Er kopiert alles, was ich vorgebe sorgfältig und originalgetreu, sogar meine Handschrift. Er kann nicht genug bekommen, am Ende schreibt er alles ab, was rumliegt.


ibru



Ibru macht die Arbeit für unsere kleine Truppe, er muss das Gepäck schleppen, saubermachen, Wäsche waschen, Wasser holen und auf mich aufpassen, wenn die anderen was Besseres vorhaben. Stundenlang sammelt Ibru Muscheln für mich und macht Musik für mich. Ibru hat immer Hunger. Er hat fast alle unsere Vorräte aufgegessen, nachher hatte er einen kugelrunden Bauch, auf den er sehr stolz war. Ibru darf nicht schlafen, fallen ihm die Augen zu, wird er reichlich unsanft geweckt. Da ist niemand, der Ibru in den Arm nimmt oder tröstet, wenn er traurig ist, aber Ibru darf auch nicht weinen. Wer hier Schwäche zeigt, wird ausgelacht. Ibru hat keinen Pass, eigentlich gibt es ihn garnicht, würde er verschwinden, gibt es niemand, der ihn vermissen würde. Aber Ibru ist auch ein Geschenk des Himmels, ich habe fünf wunderschöne Tage mit ihm verbracht, in denen er Kind sein durfte und das so sehr genossen hat, dass wir fast beschlossen hätten, die Zeit anzuhalten.




Vielen Dank für Deinen Beitrag zum Thema Schwarzafrika!
Von meinen Freunden und Bekannten aus Deutschland weiss ich, dass dort nur ganz wenige oder garkeine Nachrichten über gestrandete Flüchtlingsschiffe ankommen, man hat wohl Wichtigeres zu berichten oder will das Ferienparadies-image nicht trüben?

Hier ist meine kleine, ganz private Geschichte, Du kannst damit machen, was Du willst, am liebsten wäre mir, wenn sie veröffentlicht würde, falls doch noch jemand eine Lösung weiss oder helfen kann.
Ich lebe seit mehr als 13 Jahren mit meinen Kindern in Garafia und war letztes Jahr in den Weihnachtsferien als Touristin in Guinea/Conakry - mit Iberia-Flug von Gran Canaria nach Dakar...
Ganz zufällig habe ich dort einen Strassenjungen kennengelernt, im Anhang füge ich einen Text ein, den ich seinerzeit über ihn geschrieben habe. Zurück auf La Palma war ich fest entschlossen, den Kleinen legal hierherzuholen, man hat mich zwar gewarnt, dass das schwierig und teuer werden würde, aber sein hoffnungsvoller Blick zum Abschied hat mich nicht mehr losgelassen.

Ich habe leider schon vor Ort in Guinea feststellen müssen, dass Hilfsorganisationen nur Projekte unterstützen, für Einzelschicksale ist dort kein Platz.
Ich habe mich an die deutsche Botschaft in Conakry gewandt, eine spanische Botschaft gibt es nämlich dort nicht.
Die deutsche Botschaft hat mich an die spanische Botschaft in Dakar verwiesen, von dort bekam ich dann eine Mail, dass ich mich an die Subdelegacion del Gobierno de Canarias wenden müsste.
Ich bin also nach St.Cruz gereist, dort bekam ich ein Formular, auf dem alle für eine Adoption erforderlichen Papiere und Bescheinigungen aufgelistet waren.

Ich habe Geld nach Guinea geschickt, um für das Kind einen Pass machen zu lassen, eine Einverständniserklärung der Eltern musste amtlich übersetzt werden, hier vor Ort musste ein Architekt die Wohnlichkeiten dokumentieren, usw., usw. Dank der Hilfe vom Ayto. de Garafia und dem Bürgermeister von Puntagorda, wo ich auf dem Mercadillo meinen Arbeitsplatz habe, hatte ich nach drei Monaten alle auf dem Formular geforderten Unterlagen, aber wie immer hat noch das eine oder andere Papier gefehlt. Man will seine Sache gut und gründlich machen, hat man mir jedes Mal erklärt, das musste ich ja wohl einsehen.
Endlich ist keinem auf der Subdelegacion noch irgendein fehlendes Formular eingefallen, die Papiere wurden nach Teneriffa geschickt, von dort bekäme ich innerhalb von vier bis sechs Wochen Bescheid, hiess es.
Tatsächlich rief mich nach zwei Monaten jemand aus Teneriffa an, auf dessen Schreibtisch die Papiere gelandet waren, der aber nicht zuständig war. So ging es noch eine Weile hin und her, und nach etlichen Telefonaten teilte man mir mit, dass es nicht möglich sei, das Kind zu adoptieren, ich könnte höchstens ein zeitlich begrenztes Visum bekommen und das auch nur zu einem speziellen Anlass, etwa für einen dringend notwendigen Arztbesuch, ein Studium o.ä., aber dafür müsste ich andere Formulare ausfüllen und neue Papiere bringen.
Also alles von vorne, mittlerweile kennen mich alle beim Gobierno mit Vornamen und geben Küsschen, wenn ich auftauche, aber Ibro ist in dem einen Jahr einmal fast verhungert und einmal fast an einer schlimmen Infektion gestorben - ein Glück, dass ich jemand in Conakry gefunden habe, der sich zeitweilig ein bischen um ihn kümmert. Die für ein Besuchervisum notwendigen Papiere hatte ich etwas schneller, aber nachdem die nach Teneriffa losgeschickt waren, hiess es dann, die Eltern von dem Kind müssten auf die spanische Botschaft in Dakar und dort ihre Einverständniserklärung vor dem spanischen Konsul unterschreiben. Das wären ein paar hundert Kilometer Reise für eine Frau, die zwölf oder nochmehr Kinder hat und einen Mann, der uralt und krank ist, vier Frauen hat und Ibro garnicht kennt, beide sind Analphabeten und haben kein Geld, wie soll das wohl gehen?

Und jetzt...? haben sich - angeblich - die Gesetze geändert und die Subdelegacion ist nicht mehr zuständig, ein Visum bekomme ich, falls überhaupt, nur über die spanische Botschaft in Dakar, die aber auch beim dritten Anlauf zurückgemailt hat, dass sie ebenfalls nicht zuständig ist. Und als ich darum bat, dass man mir in dem Fall doch bitte alle beigebrachten Unterlagen zurückgeben sollte, hatte man sie bereits weggeschmissen, das finde ich jetzt wirklich schlimm und vermute zum ersten Mal sogar schon fast Sabotage!
Der illegale Weg hierher ist lebensgefährlich, aber einen anderen gibt es definitiv nicht, oder?
Dabei gibt es hier soviele Menschen, die konkret helfen wollen, und kein Geld an irgendeine anonyme Organisation spenden wollen, weil sie (berechtigterweise) kein Vertrauen dazu haben.
In Guinea liegt die allgemeine Lebenserwartung derzeit bei 36 Jahren, da haben die Leute wirklich nichts mehr zu verlieren.
Übrigens ist es verboten, im Hafen von Conakry zu fotografieren, obwohl dort nur Schrott rumliegt, jetzt wissen wir ja, warum...
Heute ist es wunderbar ruhig in Garafia, wahrscheinlich sind die alle bei Euch - ich wünsche Euch einen nicht allzu rutschigen Rutsch!
Viele Grüsse! Antje



Familie Ellen & Simon Märkle

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