Gastbeiträge von Rose Marie Dähncke

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Ganz normale Besucher, oder?

Es war ein Mittwoch, und ich hatte, wie meistens an diesem Tag, einige Gäste zum Kaffee. Diesmal hatten sie u.a. zwei Knaben, so um die zehn, mitgebracht; 'u.a.' waren ein kleiner, zottiger Hund, an dem man vor lauter Zottellocken nicht vorne und hinten unterscheiden konnte und ein schön verpacktes Geschenk.

Beginnen wir mit letzterem. Es lag dekorativ auf dem Arm einer netten Bekannten, die mit ihrer Freundin gekommen war und sah sehr kostbar aus. Durch das hübsche, transparente Geschenkpapier sah ich etwas Großes, prächtiges Gestricktes. Ich war geschockt. Was kam da bloß auf mich zu. Gut, man bekam mal eine Tafel Schokolade mitgebracht, oder eine Flasche Wein, die meisten brachten gar nichts mit und wollten lieber recht viel mitnehmen. Und nun das! Ich musste in Sekundenschnelle ganz konzentriert-komprimiert denken und mich entschließen, was ich tun wollte. Verweigern konnte ich die Annahme? Wohl kaum, wenn die Dame z.B. viel mehr Freude am Schenken hat als ich am Empfang. Wenn diese beiden Freundinnen nun zu Hause immer strickten und strickten, und es ihre größte Genugtuung und ein Höhepunkt ihres Lebens war, damit andere zu beglücken? Dann würde ich sie mit der Ablehnung dieser Gabe ja völlig frustrieren, am Boden zerstören. Das ging auch nicht. Na, vielleicht konnte ich das auf andere Weise irgendwie gutmachen. Ich musste das Geschenk wohl annehmen. Kam erschwerend hinzu, dass die Dame von der Sorte war, die nicht wusste, wie man es anfängt, die Gabe mit den passenden Worten zu überreichen. Sie hielt das so kostbar Eingewickelte noch immer unverändert schön drapiert über dem Arm, und wir sagten eine Weile nichts. Aber in solcher Situation fühle ich mich ziemlich sicher, denn neben all meinem gezielten, abwägenden Denken glaube ich, auch über eine gewisse intelligente Kontaktfreudigkeit zu verfügen (ha-ha), und so kam ich ihr mit einer kleinen, unauffälligen Frage entgegen: "Und was haben Sie da Hübsches über dem Arm?"

"Das ist mein Strickjäckchen, falls es kühl wird."

Welch eine Erleichterung! Dieses Problem hatte sich von selbst gelöst.

Der mitgebrachte Hund nahm unterdessen die Umgebung in Augenschein, er zottelte von hier nach dort und hob an jedem etwas hervorspringen unbeweglichen Teil das Bein und ließ ein paar Tropfen heraus. War nun alles sein Revier. Wir befanden uns auf meiner zwar überdachten, aber nach einer Seite offenen Sonnenterrasse, und er hielt das wohl für 'draußen' und erlaubte sich die Pinkelei. Dachte ich, aber da hatte ich mich schon wieder geirrt, denn er betrachtete es wohl als 'drinnen', denn wie später sein Frauchen erzählte, kamen alle ihre sechs Hunde immer nur ins Haus, um auf einen bestimmten Teppich im Wohnzimmer zu machen (den olivgrünen mit den Kühen), um dann rasch wieder hinaus zu springen. Also dieser kleine Zottelhund war alt, 14 Jahre, geplagt von rheumatischer Steifheit oder von Natur aus sehr träge, aber im Markieren war er sehr rührig-rüdig. Er rüdete so unentwegt, dass ich, nachdem ich das Verhältnis Hund-Frauchen durch spätere Erzählungen besser durchschaute, durchaus glaubte, dass das Frauchen ihn möglichst viel Stinkeflüssigkeit hatte ansammeln lassen, damit er sich bei mir einen richtig schönen Tag machen konnte. Die war so eine.

Er rüdete also an die Stuhlbeine, ans Tischbein, an die nächste Mauerecke und auch an ein männliches Jeansbein, das nicht genügend Lebenszeichen von sich gab. Die Dame, die ihr liebes Tier wohlwollend betrachtete, lachte. Der Betroffen lachte nicht. Aber zwangsmäßig war nun die Aufmerksamkeit aller auf diesen Hund gerichtet, und das war genau das, was die Besitzerin brauchte. Wie andere die Fotos ihrer Kinder hervorholen, zeigte sie Aufnahmen von ihrem Liebling aus seiner Jugendzeit herum, kam ins Erzählen und hörte nie wieder auf.

Es wurde der reinste Hundenachmittag, und nach erwiesenen Funden im Garten, kriegte mindestens einer das Kotzen.

Die Sonne schien kräftig, trocknete schnell die kleinen Feuchtigkeiten und half, diese zu einem ganz hundemäßigen Parfum aufzubereiten, das passende Ambiente, damit die tierischen Erzählungen wahre Gestalt annahmen und einem richtig unter die Haut gingen. In den Hund wurde unterdessen vorne zerbröselter Kuchen hineingestopft, aber Frauchen musste deshalb ihre Story nicht unterbrechen. Dem Hund hatte sie den Namen eines Berges aus der Himalaja-Gruppe gegeben, weil sie schon einmal dort in der Nähe gewesen war. Das Tier hatte sich dann auch entsprechend extraordinär entwickelt und ist ein außergewöhnliches Superexemplar geworden mit extrem einmaligen Eigenschaften, die ich nicht alle so richtig mitkriegte, weil ich immer mal in die Küche musste, um meine Gäste zu versorgen. "....und wenn wir in München dann beide abends aus dem Büro nach Hause gingen, zog er mich montags und donnerstags immer von sich aus an der zweiten Seitenstraße nach links, weil dort unser Tierarzt wohnt. Na gut, sagte ich dann zu ihm, wenn du durchaus willst, gehen wir eben zum Tierarzt." So wurde der Hund zwar teuer, aber er blieb bei so viel Beobachtung gesund und bekam keine Jugendstörungen, weil ihm ein Wunsch abgeschlagen worden war. Und nun war er alt (und rüdete schon wieder aufs neue dieser Misthund!). Sein Fell war so etwa terra-grauockerlich-schwärzlich-meliert, falls das eine Farbe ist, und, wie gesagt, vorne und hinten gleich geformt und geordnet. Schwanz hatte er sehr wenig, kaum sichtbar in dem Gelocke, aber vorne hing ihm eine lasche rosagraue Zunge heraus, immer, 5 cm lang oder mehr, und immer links. Daran war dann doch zu erkennen, wo man ihn ansprechen und füttern konnte. Das Ansprechen ließ man aber lieber sein, denn er roch furchtbar schlecht aus dem Mund, wenn er ihn verständniserheischend etwas öffnete. Zu fressen bekam er normalerweise Kalbsfilet püriert, weil er keine Zähne mehr hatte.

Da es kurz vor Weihnachten war, hatte ich zum Probieren eine palmerische Spezialität besorgt, die hier zu diesem Fest in keinem Hause fehlte: Kleine bunte Portionstütchen mit einem pulverig-körnigen Inhalt ähnlich süßen Kuchenkrümeln in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ich erklärte, dass man das Tütchen in die Hand nehmen und fest drücken musste, um die enthaltene krümelige Masse zusammenzuballen und so essen zu können. Wir machten das alle, und nach dem Entfernen der Hülle und Befühlen des kleinen sanft-festen Inhalts rief die Hundebesitzerin freudig überrascht aus: "Genau wie der Penis von meinem Hund". Die Gesellschaft sagte gar nichts, und nach einer gewissen Schreckpause war es zum etwaigen Lachen schon zu spät.

Im weiteren wurde uns dann berichtet, dass dieser einmalige Hund überall, aber auch überall Aufsehen erregt. Wie viele Bekanntschaften hatten sich schon durch ihn angebahnt. Was die Leute immer am meisten interessierte, und wonach einfach alle fragten, das war, warum die Zunge so lang heraushing. Das hätte ich ja nun auch gerne gewusst, und vielleicht auch die anderen Zuhörer, aber sie sagte es uns nicht. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, sie wusste es, oder sie wusste es nicht. Oder sagte sie es uns nicht, weil sie es wusste? Oder was? Ist ja auch egal, bei uns stank es, und ich suchte mir mal Beschäftigung in der Küche als kleine Hundepause.

Dann kam sie auf seine Potenz zu sprechen. Er war ein wahnsinnig potenter Rüde. Früher wurde er dafür bezahlt. Für eine erfolgreiche Deckung bekam er 500,- DM. Jetzt - rheumalahm und schwerhörig - hielt sie ihn natürlich von allem fern, denn umgerechnet befand er sich ja schon im Greisenalter, hätte auch längst schon tot sein können. Aber potent war er immer noch, viel zu sehr. Immer wenn es in der Nachbarschaft läufige Hündinnen gibt, dann schwellen seine inneren Sexualorgane derart an, dass er nicht mehr koten kann, und sie ihm die Kacke mit dem Finger herausholen muss. Das war der Moment, als eine Dame beschleunigt in den Garten ging, und sich bei einem sensiblen Mann die gesunde inselbraune Gesichtsfarbe ins Graugrüne wandelte, und mir wurde auch schlecht. Ich hatte meine Mühe, dass es mir nicht hochkam. Auch diesmal konnte keiner lachen, und es gab auch keinen Kommentar dazu. Es hatte wohl jeder mit sich selbst zu tun. Die noch immer unverheiratete Hundedame in fortgeschrittenem Alter erzählte dann noch, dass ihr letzter Freund ein Ultimatum gestellt hatte 'der Hund oder ich', worauf sie sich für den Hund entschieden hatte. Der Freund ging. Hier nickten einige Anwesende aus Versehen. Oder aus Verständnis?

Dann erlösten uns Gott-sei-Dank die beiden Jungen, zurück von ihrem kleinen Ausflug. Einer davon humpelnd, dreckig und schmierig, heulend, Schienbein und Knie blutig und zerkratzt, die abgeschürfte Hand fest umklammernd wegen schlimm-schlimm, mitleidsuchend sich in die Arme von Mama und Papa stürzend. Und das kam so: die beiden Jungen kannten sich vorher nicht. Sie mussten nun zuerst einmal warm werden, ein bisschen vortasten und ein bisschen angeben, wie Jungs sich nun mal kennenlernen, das dauerte schon mal ein bisschen. Dann kam tüchtiges Kuchenessen und Colatrinken, aber danach wurde es doch etwas langweilig mit den Erwachsenen. Ich schlug vor, sie sollten doch die paar Meter zum Wasserkanal hinaufsteigen, darauf konnten sie dann in beide Richtungen so weit gehen, wie sie wollten. Sie konnten sich nicht verlaufen, wenn sie den gleichen Weg wieder zurückkamen. Der Kanal ist gemauert, etwa 50 cm breit und 30 cm tief, mit Zementplatten abgedeckt und bequem begehbar. Oft führt neben dem Kanal ein Weg entlang, oder die Wiese grenzt direkt daran, es ist nirgendwo gefährlich. Die Eltern waren sehr angetan von der Idee, sich eine Zeit lang von ihrem Sprössling befreit zu sehen.

Nun ist es so, dass die Bauern hier und dort einmal eine Abdeckplatte zerschlagen, um für sich oder das dort grasende Vieh etwas Wasser zu schöpfen, oder die eine und andere Platte ist altersschwach und ein bisschen kaputt, aber das hat den Vorteil, dass man nun erkennen kann, wie in unserem Trinkwasser tote Amseln, von denen es hier sowieso zu viele gibt, vorübertreiben, begleitet von ebenfalls verendeten, dick aufgetriebenen Eidechsen, Ölsardinendosen, fetten Ratten und viel Zeug, was einfach dazugehört wie Laub von den umgebenden Bäumen, Grasbüschel und Moospölsterchen als heimisches Gewächs in dieser angenehmen, ständigen Feuchtigkeit. Wo Stöckchen und Zweige einen Stau bilden, setzen sich auch vergammelte, in Auflösung begriffene, bestialisch stinkende Kaninchenkadaver fest. Ich trinke kein Trinkwasser mehr.

Aber über diese kleinen schadhaften Stellen kann man ganz einfach hinwegsteigen. Ich ging oft auf dem Kanal entlang, ohne jegliche Schwierigkeiten. Da muss man nicht reinfallen. Aber man sollte natürlich ein bisschen auf den Weg achten und nicht an andere Sachen denken, schon gar nicht an gewagt schlechte, das könnte ablenken. Als nämlich der beschädigte Junge in den Armen von Mama sich genügend ausgeheult hatte, hörte ich ihn schluchzend, und sich auch ungerecht bestraft fühlend sagen: "Und ich ha-habe gar nicht reinge-gep-pisst, ich wollte nur."

Übrigens der Hund, dieser außergewöhnliche, mit den neuesten, besten und teuersten lebens- und potenzerhaltenden Mitteln aufgepeppte Hund, starb dann - Ironie des Schicksals - an einer Dosis seines Vital-Lebenselixirs.

Ich schwöre, auch diese Geschichte ist wahr; es gibt Zeugen.






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Familie Ellen & Simon Märkle

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