Tod auf einsamer Piste
Heute, Donnerstag, hatte ich mir für meine Erkundungsfahrt etwas ganz Großartiges gewünscht,
etwas ganz ungeahnt Tolles. Was dann auch eintraf, nur dass man einen Leichenfund nicht
gerade als freudiges Ereignis bezeichnen kann.
Etwas ganz Großartiges wäre für mich nämlich ein seltener, interessanter Pilz. Der würde mich
echt beglücken. Als Optimistin erhoffe ich mir das auf jedem Ausflug und habe auch fast immer
Erfolg. Heute war ich auf meiner Lieblingspiste unterwegs, wo ich schon früher fündig geworden
war. Sie geht (auf La Palma, meiner jetzigen Heimat) von Puntallana bis hinauf zum Pico de
Nieve. Im unteren Teil besteht sie aus rotem Lehm und ist, besonders bei Feuchtigkeit,
bezaubernd schön. Ich genoss sie auch heute, langsam fahrend all die Schönheit in mich
aufnehmend und rundum Ausschau haltend nach überraschenden Ausblicken.
Und dann - ein Glück, dass ich langsam fuhr - lag nach einer Kurve plötzlich ein Toter auf dem
Weg. O Schreck! Ich machte eine kleine Vollbremsung, wozu bei 20 km Geschwindigkeit ja
nicht viel gehört. Nein, dass mir das passieren muss. Gerade mir. Na, so abwegig war das nun
auch wieder nicht. Wie oft hat man schon in der Zeitung gelesen 'Pilzsucher machten grausigen
Fund im Unterholz'. Ich bin doch ständig im Unterholz und habe noch nie eine Leiche gefunden.
Irgendwann war ich nach der Wahrscheinlichkeitstheorie auch mal dran. Aber gerade hier. Kein
Mensch befuhr diese Piste. Die Touristen fanden sie nicht, und die wenigen Bauern, die hier
vielleicht ihr Ziegenfutter schnitten, machten das am freien Sonnabend oder Sonntag, weil sie
noch einen anderen Beruf hatten.
Ach herrje - was muss ich nun tun?
Der Tote lag auf dem Bauch, das Gesicht auf der Erde. Ich sah ihn von den Beinen her, die lang
gestreckt und weit abgewinkelt waren.
Omann-omann, wie war das alles schrecklich!
Ich hob ein wenig den Blick und sah etwas weiter ein Auto stehen, einen Geländewagen. Er kam
mir bekannt vor. So einen hatte mein Pilzfreund Juan Carlos, und als ich mit dieser neuen
Information genau hinsah, kommt mir auch die Person bekannt vor, es ist tatsächlich mein
Pilzfreund Juan Carlos! Das ist ja noch schlimmer! Der arme Kerl. Er war noch nicht alt, und ein
so netter Mensch. Dass ihn der Tod gerade hier auf dieser Piste ereilen musste!
Vielleicht war ja noch etwas zu retten. Ich wollte ihm doch noch die Halsschlagader abfühlen.
Das macht man so, wie ich aus Romanen und dem Fernsehen weiß, um zu sehen, ob noch etwas
Puls und somit etwas Leben vorhanden war. Vorsichtig ging ich näher und etwas in die Hocke
mit ausgestreckter Hand, als der Tote leise sagte: "Bitte keinen Schatten machen". Vor Schreck
wäre ich aus meiner unsicheren Haltung beinahe auf ihn draufgefallen. "Juan Carlos! Du lebst!
Was machst Du da?" Er hob ein wenig den Kopf und blickte zur Seite: "Ach, Du bist es. Ich
mache eine Nahaufnahme und warte auf den richtigen Lichteinfall". Tatsächlich, er visierte
bewegungslos einen Pilz an, der hier jedes Jahr aus dem festen Fahrweg hervorbrach
(Riesenkartoffelbovist, Scleroderma polyrhizum). "Und was machst Du hier?" war seine
Gegenfrage. Er wusste natürlich, dass ich auch auf Pilzsuche war, wie immer. Wir machten
danach die Exkursion gemeinsam, und es wurde noch sehr schön.
Nach einer gewissen Zeit, als der Schreck abgeklungen, der Schock überstanden und mein
Blutdruck wieder normal war, hatte ich sogar Verständnis für seine etwas widernatürliche
Fotoposition, schließlich lag ich selbst ja auch öfter so tot auf den Pisten herum.
Und HIER geht es zur nächsten Dähncke
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