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Carlo, San Borondón

Landgang - Zu später Stunde


              

Die nachfolgende Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit anderen Berichten oder Erzählungen ist rein zufällig. Gleiches gilt für die verwendeten Namen, Bezeichnungen, Techniken und geografischen Orte

Zu später Stunde

Ich wandte mich dem Hügel zu. Als ich mich umsah, war er verschwunden.
Das flache Tal bot einen bilderbuchhaften Anblick. Der Ort war geradezu anmutig zwischen den Hügeln eingebettet, und ich genoss den Abstieg zu den ersten Häusern, die alle gleichartig gebaut aber jedes für sich der jeweiligen landschaftlichen Situation angepasst waren. Die Bauten zeigten sich in einheitlicher hellbrauner Lehmfarbe und erinnerten mich stark an meine Heimat in New Mexico. In dieser üppig grünen Umgebung kontrastierten die Häuser angenehm beruhigend. Unversehens führte mich mein Weg in eine Einkaufstraße. Zunächst sah ich zu beiden Seiten der breiten Fußgängerstraße nur einzelne Läden. In der Mitte der Strasse lagen Beete mit blühenden Büschen und einzelnen großen Bäumen, aus deren Schatten ich dem Treiben der Menschen zusah und dabei langsam das Ende der Straße in einem überdachten Einkaufszentrum fand, in das ich einfach hineinspazierte. Hier lagen die kleinen Läden dicht an dicht, und mir fiel auf, dass alle zur Straße hin in voller Breite offen waren und ein überwältigendes Angebot an Waren zeigten. Die Auslagen waren von ausgesprochen guter Qualität in aufwändiger Dekoration. Allein das Betrachten der kunstvollen Auslagen wurde hier zum Erlebnis. In der lichten Passage standen auch in der Mitte zwischen den Ladenzeilen Tische mit Waren, zwischen denen kindhafte Verkäuferinnen Tabletts auf der flachen Hand balancierten, von denen sie vielerlei Leckerei anboten. Deutlich erinnere ich mich an ein kleines Mädchen, das mit einer Art flachen Pastete mit durchsichtiger Geleehaut sich vor mir drehte. Die Pastete sollte wohl einen auf dem Wasser ruhenden Vogel darstellen, dessen Kopf ein Apfel war, in dem als Schnabel eine Mandel steckte. Schnell war sie wieder zwischen den Menschen verschwunden. Ich trieb mit der Menschenmenge dahin, und langsam erwachte in mir ein Befremden. Ich konnte nicht feststellen, dass überhaupt jemand etwas kaufte. Ich sah plötzlich die vielen Menschen als geordnete Vorführung eines Kaufpalastes, nicht der Handel war hier der Zweck, sondern das Erlebnis. Ich begann damit, eine Dame mit den Augen zu verfolgen. Sie war außerordentlich reich gekleidet und entnahm den Auslagen einzelne Stücke, mit denen sie weiterging, um sie an anderer Stelle abzulegen und wiederum neue Stücke aufzunehmen und weiterzutragen. Nach einiger Zeit kehrte sie zum Ausgangspunkt meiner Beobachtungen zurück - und begann wieder nach Ablage der mitgebrachten Stücke mit den gleichen Handlungen.

Als ich den Mann sah, gewahrte ich die geringe Größe dieser Menschen. Vielleicht maßen sie nur höchstens anderthalb Meter. Der Mann überragte sie alle. In seiner Nähe wurde mir klar, dass er wie ich ein Tourist war, und er stand da und aß! Er schob sich von einem Teller, den er in Mundhöhe hielt, die Bissen zwischen die Lippen und kaute eindrucksvoll. "Wo kommst du denn her", wollte ich wissen? - "Aus den Niederlanden!" - "Und was machst du hier?" - "Na, das siehst du doch, ich bin Tourist und ich esse." Irgendwie behagte mir der Mann nicht, sein Verhalten war nahezu teilnahmslos, und weil mir nichts anderes einfiel, fragte ich ihn nach der Anmeldung. " Ach die, die ist da oben, in einem der Büros!" Er wies mit dem Kopf zu einer Treppe und wandte sich ab. Ein unwiderstehlicher Gedanke schoss mir durch den Kopf: "Du musst dich hier registrieren lassen, du musst wissen, was hier passiert, sonst bist du verloren...!" Ich eilte die Treppe nach oben in einen halbdunklen Flur. Hier lagen Geschäftsräume, das war deutlich zu erkennen. Hinter Glasscheiben erkannte ich noble, hölzerne Einrichtungen, aber kein Schild wies auf etwas hin, wo sollte ich nur die Anmeldung finden?! Alle Räume waren verschlossen und menschenleer. "Ach ja, es ist Mittagszeit", fiel mir ein! Am Ende des Flurs fand ich eine Tür, die auf einen Balkon führte, den ich durch die Fensterfront erkennen konnte. Als ich sie öffnete, war ich an der Grenze zum Nichts. Ich wusste, es ist das Nichts! Ich wusste, dass ich Teil einer Projektion war, aber wo war ich, wo war mein Bewusstsein?! Ich war voll bei Sinnen und zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Ereignisse nicht in meinem Kopf, sondern außerhalb entstanden, ich sah sie, ich hörte sie.....



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