Sie werden das kennen: man steht an der Straße und möchte auf die andere Seite, doch ein
Krankenwagen nähert sich mit lauten und hellen Signaltönen. In dem Moment, als er Sie passiert
werden diese merklich tiefer. Man macht diese Beobachtung auch bei Automobil-Rennen,
oder mit vorbeifahrenden Zügen. In der Physik wird das hier zu beobachtende Phänomen als
Doppler-Effekt bezeichnet, nach Christian Doppler, der diesen im Jahre 1842 als erster entdeckte.
Entscheidend für die Erklärung dieses Effekts ist die relative Bewegung zwischen Krankenwagen
und Beobachter, und der Ton der Sirene sozusagen das Indiz dafür. Stellen Sie sich im Folgenden
der Einfachheit halber vor, der Krankenwagen hätte keine Sirene, sondern würde alle drei Sekunden
eine Brieftaube aus einer Öffnung frei lassen, die ihrerseits sofort versuchen würden, uns als
Beobachter am Straßenrand zu erreichen. (Außerdem sei angenommen, daß alle Brieftauben
gleichschnell fliegen.) Eine Brieftaube nach der anderen gelangt so zu uns, auch wenn wir den
Krankenwagen zunächst weder sehen noch hören. Schließlich kommt er dann aber doch, fährt an
uns vorbei, und wir erkennen vielleicht noch auf die Schnelle, wie die eine oder andere Brieftaube
abgeschickt wird. Dann ist der Krankenwagen aber auch schon wieder weg.
Nur die weiterhin bei uns eintreffenden Brieftauben geben uns von ihm Kunde. Doch jetzt bemerken
wir einen Unterschied: nachdem uns der Krankenwagen passiert hat, dauert es immer etwas länger
bis die nächste Brieftaube uns erreicht. Man könnte nun meinen, daß das jetzt mit dem weiten Weg
zusammenhängt, den die Brieftauben nun zurücklegen müssen. Das aber wäre dann doch zu einfach,
denn weite Wege hatten die Brieftauben zu Beginn auch zurückzulegen. Entscheidend ist hingegen,
daß jede nunmehr bei uns eintreffende Brieftaube relativ zu ihrer unmittelbaren Vorgängerin einen
weiteren Weg hat. Nicht der Weg an sich, sondern die Differenz, beziehungsweise der daraus
folgende Takt mit dem die Brieftauben nun eintreffen, ist entscheidend.
Nach einer bestimmten Dauer, deren Länge sich in dem Moment ändert, als der Krankenwagen uns
passiert, trifft also eine Brieftaube nach der anderen bei uns ein. Als "Botenteilchen" könnten wir den
Brieftauben nun eine bestimmte Taktzahl und sogar eine bestimmte "Wellenlänge" zuordnen, wobei
letztere sich aus dem zwischen zwei Brieftauben liegenden Weg ergibt.
Im Gegensatz hierzu kommt der Signalton des Krankenwagens als Informationsträger natürlich nicht
mit "Brieftaubengeschwindigkeit" daher, sondern mit Schallgeschwindigkeit. Solange der Krankenwagen
sich uns nähert haben die Schallwellen jetzt eine geringere Wellenlänge, beziehungsweise eine höhere
Taktzahl oder "Frequenz" - wie man sagt. Hat der Krankenwagen uns passiert, wird die Taktzahl geringer,
die Schallwellenlänge aber entsprechend größer. Diese längeren Schallwellen nimmt das menschliche Ohr
nun als tieferen Ton wahr (und entsprechend die kurzen Wellen als hohen Ton).
Und was für die Schallwellen gilt, ist ähnlich auch für das Licht anwendbar. Wir hatten im letzten
Monat bereits von den Lichtteilchen - den "Photonen" gesprochen. Man kann sich das Licht aber
auch als Wellenvorgang vorstellen, und die Photonen gleichsam als Wellenpakete mit einer dazugehörigen
Lichtwellenlänge und Frequenz.
Bewegt sich eine Lichtquelle - zum Beispiel ein Stern - in unsere Richtung, so wird die
Lichtwellenlänge etwas verkürzt. Das kurzwelligere Licht ist aber etwas energiereicher, und somit
zum ultravioletten Licht hin verschoben. Andererseits, entfernt sich der Stern, erhalten wir eine
Doppler-Verschiebung zu langwelligerem Licht, also in Richtung der infraroten Strahlung.
Um Ihnen ein drastisches Beispiel zu geben: wenn man mit 50 km/h auf eine rote Ampel zufährt,
präsentiert diese sich mit praktisch dem gleichen Rot, das auch ein Fußgänger sieht. Fährt man aber
mit etwa 46000 km/s (wohlgemerkt: Kilometer pro Sekunde!) auf eine rote Ampel zu, sieht man auf
Grund des Doppler-Effekts deren Licht deutlich kurzwelliger, nämlich grün! Physikalisch gesehen
fährt man dann also völlig korrekt "bei Grün" über die Ampel. (Den Führerschein wird man aber
wahrscheinlich dennoch los, wegen der wesentlich zu hohen Geschwindigkeit nämlich, wobei sich
allerdings auch die Frage stellt, wer einen bei dieser überhaupt noch stoppen kann.)
Da nun aber alle Sterne der Milchstraße relativ zu uns, wie auch untereinander, in Bewegung sind, ist
deren Licht auch immer etwas zum kurzwelligen oder langwelligen - oder, wie die Astronomen sagen, zum
"Blauen" oder zum "Roten" - hin verschoben. Die Geschwindigkeiten, um die es hier geht, sind nun nicht
die aus dem eben erwähnten Beispiel mit der roten Ampel. Die Sterne in unserer Nachbarschaft bewegen
sich typischerweise "nur" mit einigen Kilometern pro Sekunde relativ zu uns. Schauen wir aber mit großen
Teleskopen die sehr weit entfernt stehenden Galaxien an, so werden auch 46000 km/s mühelos erreicht.
(Interessanterweise sind alle Galaxien aber nur ins Rote verschoben, wie wenn sie nichts mit uns
Erdenbewohnern zu tun haben möchten, aber darüber unterhalten wir uns ein anderes Mal.)
Jetzt kommen wir noch einmal auf die Abbildung 2 vom Vormonat zu sprechen und fragen uns: Was
passiert eigentlich mit den Spektrallinien in den Spektren der Sterne, wenn letztere sich auf uns zu, oder
von uns weg bewegen? Jede Spektrallinie repräsentiert eine bestimmte Energie, beziehungsweise
Wellenlänge des Lichts. Bei einer relativen Bewegung eines Sterns auf uns zu oder von uns weg, beginnen
nun auch die Spektrallinien zu wandern. Das sieht man zwar nicht in Abbildung 2 vom Vormonat (Feb-2007),
da hier die Spektren alle Sterne zur Deckung gebracht wurden. Man erkennt es aber in Abbildung 1 für die
Sonne und den uns sehr nahen, sonnenähnlichen Nachbarstern "Tau Ceti", dessen beider Spektrallinien
deutlich gegeneinander verschoben sind. Die genaue Messung ergibt hier eine relative Geschwindigkeit -
eine "Radialgeschwindigkeit", wie man sagt - von 16.6 km/s, das heißt Tau Ceti bewegt sich mit
16.6 km/s auf uns zu. Das sind also etwa 60000 Kilometer pro Stunde, oder mehr als eine Millionen
Kilometer pro Tag.
Abbildung 1: Ausschnitt aus dem Spektrum der Sonne und dem sehr nahen, sonnenähnlichen
Stern "Tau Ceti", der bereits mit bloßem Auge am Nachthimmel über La Palma gut zu erkennen
ist. Da sich Tau Ceti auf uns zu bewegt - und zwar mit 16.6 km/s (also etwa 60000 km/h) - sind
seine Spektrallinien deutlich nach links zum energiereicheren, kurzwelligeren blauen Licht verschoben.
Ein anderes Beispiel zeigt Abbildung 2. Hier entfernt sich der Stern "Mu Virginis" von uns, bzw. der
Sonne, mit 5.2 km/s (also etwa 19000 km/h). Die Spektrallinien liegen daher etwas nach rechts
verschoben. Allerdings fällt auch auf, daß diese jetzt sehr breit und verwaschen sind.
Abbildung 2: Wie Abbildung 2, jetzt allerdings für den Stern "Mu Virginis", der sich im Gegensatz zu
Tau Ceti von uns weg bewegt. Besonders auffällig sind zudem die sehr breiten, verwaschenen Linien
von Mu Virginis.
Um das nun näher zu untersuchen, werden beide Spektren zunächst unter einen Scanner gelegt
(wie man ihn ähnlich auch bei vielen Photokopierern findet) und von diesem sodann eingelesen.
Abbildung 3 zeigt das Ergebnis für das Sonnenspektrum. Die dunklen Spektrallinien, also die
Bereiche mit geringem Licht, haben auch nur eine geringe Intensität.
Abbildung 3: Ausschnitt aus dem Spektrum der Sonne (oben) und das Ergebnis, wie es von einem
Scanner produziert wird (unten). Letzterer tastet sozusagen das Spektrum der Sonne von links nach
rechts ab. In der jetzt vorliegenden Form des Spektrums erkennt man die Profile der Spektrallinien
besonders gut. So manches Detail, das der Stern in den Profilen seiner Spektrallinien versteckt hält,
läßt sich auf diese Art besonders gut untersuchen. Die darunter angeschriebenen Zahlen bedeuten
übrigens die genauen Lichtwellenlängen, welche die Astrophysiker bevorzugt mit dem griechischen
Buchstaben "lambda" abkürzen.
Jetzt lesen wir das Spektrum von Mu Virginis in gleicher Weise ein und stellen es dem der Sonne
in Abbildung 4 gegenüber. Man erkennt: das hier mit der Farbe lila gezeichnete Spektrum von
Mu Virginis hat wesentlich breitere Linien als die Sonne. Ahnen Sie aber auch schon, womit das
vielleicht zusammenhängen könnte?
Abbildung 4: Ausschnitte aus den Spektren der Sonne (weiß) und Mu Virginis (lila). Die Linien
von Mu Virginis sind deutlich breiter oder "verwaschener". Der Grund hierfür ist in der höheren
Drehgeschwindigkeit von Mu Virginis zu finden: während die Sonne mit nur 2 km/s um die eigene
Achse rotiert, erhält man für Mu Virginis immerhin 46 km/s.
Die Antwort findet sich in der Rotation, also der Drehung des Sterns um seine eigene Achse. So
wie die Erde sich um die eigene Achse dreht und damit für den Wechsel von Tag und Nacht sorgt,
erkennt man auch bei der Sonne, z.B. aus der Beobachtung ihrer Sonnenflecken, eine Drehbewegung.
Die Erde braucht für eine Drehung nur knapp 24 Stunden, die Sonne etwa einen Monat. Es gibt aber
auch Sterne, die drehen sich in nur wenigen Stunden um die eigene Achse.
Wenn ein Licht aussendender Stern sich nun aber um seine eigene Achse dreht, so haben die
verschiedene Bereiche seiner Oberfläche relativ zu uns auch unterschiedliche Geschwindigkeiten,
die vor allem am Rand merklich werden. Die Sonne dreht sich zum Beispiel mit etwa 2 Kilometer
pro Sekunde um die eigene Achse. Das Licht beider Randbereiche hat dann also eine relative
Geschwindigkeit von 2+2=4 Kilometer pro Sekunde: während der eine Rand mit 2 Kilometer pro
Sekunde von uns wegweicht, kommt der gegenüberliegende Rand mit genau dieser Geschwindigkeit
auf uns zu. Ein Teil des Sonnenlichts wird so also nach links zum Blauen, der andere Teil nach rechts
ins Rote verschoben. Der Schwerpunkt der Sonne bewegt sich natürlich nicht auf die Erde hin oder
von ihr weg, denn wir beschreiben ja praktisch eine Kreisbahn um unseren Heimatstern. Wenn die Sonne
sich nun aber relativ zu uns praktisch in Ruhe befindet und lediglich auf Grund ihrer Eigenrotation das
Licht in unterschiedliche Richtungen "in Bewegung" versetzt was ist dann der Effekt? Genau der, den
wir in Abbildung 4 erkennen: die Spektrallinien verbreitern sich.
Würde sich die Sonne also nicht auch in Rotation befinden, wären ihre Spektrallinien noch schärfer.
Andererseits, sind die Linien der Sonne im Vergleich zu Mu Virginis bereits als "messerscharf"
anzusehen.
Wir erkennen also im Prinzip die Eigenrotation eines Sterns an der Breite seiner Spektrallinien. Da zum
Beispiel viele junge Sterne eine hohe Eigenrotation besitzen, kann man bereits auf diese Art erste wichtige
Informationen über die Natur eines Sterns erhalten. Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, daß wir
manche Sterne genau "von oben" sehen - dann wird der Doppler-Effekt naturgemäß nicht wirksam.
Daher können auch Sterne mit scharfen Spektrallinien in Wirklichkeit sehr schnell rotieren.
Neben der Rotation eines Sterns, kann seine Bewegung auf uns zu oder von uns weg, die
"Radialgeschwindigkeit", an der Doppler-Verschiebung der Spektrallinien - so wie in Abbildung 1
gezeigt - erkannt werden. Zusammen mit der so genannten "Eigenbewegung" der Sterne
(siehe Sep-2006), welche die Veränderung am Himmel in Längen- und Breitengraden beschreibt,
gestattet die zusätzliche Messung der Radialgeschwindigkeit also die vollständige 3-dimensionale
Raumbewegung der Sterne abzuleiten.
Mit dem Doppler-Effekt haben wir damit ein zentrales Werkzeug der Astrophysik kennen gelernt.
Die
Diagnostik der Spektrallinien ist damit aber keineswegs bereits erschöpft. Wir kennen jetzt gerade
einmal einige wichtige Beispiele, sozusagen die Spitze des "Spektroskopie-Eisbergs", der den
Astrophysikern schon ungezählte Erkenntnisse geliefert hat.
Wie es so im Jahre 1995 erstmals möglich wurde die Existenz extra-solarer Planeten - also Planeten
a u ß e r h a l b unseres Sonnensystems - mit Hilfe der Spektroskopie nachzuweisen, erfahren wir im
nächsten Monat.