Mit der Zerlegung des Sonnenlichts in seine Spektralfarben (siehe Abb. 1 vom Dez-2006) und
der Erkenntnis, daß jeder Körper ein Temperaturstrahler mit einer ganz charakteristischen
Energieverteilung ist (siehe Abb. 2 vom Dez-2006), haben wir bereits im Dezember 2006 einige
grundlegende Merkmale der Spektroskopie gewonnen.
Während das Hauptaugenmerk bei der Photometrie (Jan-2007) auf den Farbfiltern beruht, mit
denen man sozusagen verschiedene Stellen der Energieverteilung der Temperaturstrahler
(z.B. Sterne, Galaxien) abtastet und so erste wichtige Informationen über deren Natur erhält, kommt
bei der Spektroskopie noch ein weiterer wichtiger Umstand hinzu, den wir zunächst in Abbildung 1
vorstellen.
Beobachtet man nämlich die Sterne nicht nur mit einem normalen Teleskop, sondern setzt vor
dieses noch ein Glasprisma, so daß die Sterne nicht nur als Punkte, sondern sogleich mit ihren
bunten Spektren - so wie in Abb. 1 vom Dez-2006 - in Erscheinung treten, so stellt man bei
genauerem Hinsehen fest, daß die Regenbogenfarben an manchen Stellen durch dunkle Linien
merkwürdig unterbrochen sind. Vergleicht man die Sterne untereinander, so wird auch schnell klar,
daß diese dunklen Linien praktisch immer an denselben Stellen auftreten, beziehungsweise im
gleichen Abstand zueinander, wobei ihre Intensität jedoch durchaus unterschiedlich ausfällt. In
anderen Fällen beobachtet man zudem, daß manche dieser Linien aber auch gänzlich fehlen oder
bisweilen eher verbreitert oder "verwaschen" ausschauen.
Seit den Anfängen dieser spektroskopischen Untersuchungen - und diese liegen nun schon
200 Jahre zurück - gab es also Gesetzmäßigkeiten wie auch Ungereimtheiten in den Spektren der
Sterne zu beobachten. Daß man in diesem "Strichcode" eventuell interessante Dinge über die Physik
der Sterne würde erfahren können, dürfte schon bald sehr klar gewesen sein. So wie sich zum
Beispiel auch an der Kasse im Supermarkt der Inhalt und Preis der verschiedenen Waren über den
jeweils aufgedruckten Strichcode erschließt, kann man im Prinzip auch mit den dunklen Linien der
Sternspektren etwas über das Innenleben der Sterne erfahren.
Nachteilig war natürlich, daß zunächst niemand den in den Sternspektren eingravierten Code lesen
konnte. Ein fundamental wichtiges Ergebnis lag allerdings doch von Anfang an vor: auch wenn die
Astronomen ihre Beobachtungen im Allgemeinen nur des Nachts durchführen, weil die Sonne ja am
Tag "nur stört", so zeigte ein Vergleich der Spektren der Sterne, daß viele dem Spektrum der Sonne
sehr ähnlich sind - so wie auch in Abbildung 2 gezeigt. Sonne und Sterne mußten daher im Grunde
dieselben Gebilde sein, mit dem wesentlichen Unterschied, daß die Sonne eine sehr viel geringere
Entfernung besitzt.
Mit der schon bald einführten Photographie begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
zunächst die Erstellung großer Plattenarchive und parallel dazu eine erste Klassifizierung der Spektren.
Eine wichtige Rolle spielte hierbei der Wasserstoff - aus dem viele Sterne ja größtenteils bestehen -
und von dem man aus Laborversuchen bereits wußte, daß er ein vergleichsweise einfaches Spektrum
produziert. So erzeugt Wasserstoffgas die in Abbildung 3 gezeigten bunten Linien an immer denselben
Stellen und die anderen hier gezeigten Elemente (Helium, Natrium, Kalzium, und Quecksilber)
entsprechend an anderen für sie charakteristischen Stellen.
Man brauchte also nur im Labor eine reine Probe eines bestimmten Elementes in Gasform zum Leuchten
anregen und sodann den hierbei entstehenden Linien- oder Strichcode genau aufschreiben. Warum die so
erhitzten Gase nun aber an immer denselben Stellen ihren Fingerabdruck hinterließen, war zunächst
völlig unklar und konnte erst vor etwa 100 Jahren im Rahmen der damals aufkommenden Quantenmechanik
geklärt werden.
Ohne hier in die Details einsteigen zu können, von denen ganze Physikbücher handeln, sei zumindest
erwähnt, daß Anfang des letzten Jahrhunderts schließlich klar geworden war, daß die winzigen "Atome"
genannten Bausteine der Materie - aus denen sozusagen die uns umgebende Welt aufgebaut ist - neben
einem Kern aus sogenannten "Protonen" (und Neutronen) in ihrer Hülle von noch winzigeren "Elektronen"
umgeben sind, die ihrerseits nur auf wohldefinierten Bahnen um den Atomkern herumlaufen können.
Vergleichen Sie das vielleicht mit einer Treppe. Wenn Sie dort ihren Ort verändern möchten, können Sie
ein oder zwei Stufen nach oben oder unten gehen, nicht aber zum Beispiel nur 1.2 Stufen. Geht es nach
oben kostet es Sie spürbar Energie. Abwärts geht es meist viel leichter, beziehungsweise auch schon mal
"in die Knie", wenn zuviel Energie auf einmal frei wird, wie etwa bei einem Sturz.
Ganz ähnlich geht es auch den Elektronen im Atom, die durch Energieaufnahme von außen auch eine
oder mehrere ganze "Stufen" nach oben springen können. Wie bei der Treppe kostet das Energie, bzw.
wenn es abwärts geht, wird entsprechend Energie frei. Wichtig für uns ist hier lediglich diese Diskretisierung
der Atome bzw. Elemente zu verstehen, und auch daß verschiedene Elemente verschiedene "Stufen"
besitzen, während die Atome eines jeweiligen Elements untereinander völlig gleich sind. Der Übergang von
einer höheren zu einer niedrigeren Stufe, beziehungsweise die hiermit einhergehende Freigabe von Energie
werden mit der Entsendung eines Lichtteilchens - "Photon" genannt - umgesetzt. Das mit der
entsprechenden Energie ausgesandte Photon kann sodann, wenn es auf ein weiteres Wasserstoff-Atom
trifft, ein einzelnes Elektron wiederum um eine Stufe nach oben schicken. Die Erkenntnis dieser genau
definierten Energie- oder Quantensprünge war sozusagen die Sensation vor mehr als 100 Jahren, als man
in der Physik begann, den Aufbau der Materie zu verstehen.
Letztlich gibt es für die Elektronen im Atom also ein ständiges Auf und Ab. Vor allem im Inneren der Sterne,
in den Produktionsstätten der Photonen sozusagen, geht es ständig hin und her. Im Großen betrachtet wird
dabei die Energie ganz im Inneren eines Sterns durch Kernfusion produziert und dann nach außen an die
Oberfläche abtransportiert. Und während der Energiestrom von innen nach außen größenordnungsmäßig
eine Millionen Jahre dauert, können die an der Oberfläche des Sterns produzierten Photonen nun "endlich"
völlig ungestört davoneilen.
Fast allen gelingt dabei tatsächlich der Weg in die Tiefen des Weltalls, um so von der Existenz des Sterns,
den wir Sonne nennen, zu berichten. Nur etwa ein Milliardstel der Photonen stößt dummerweise nur acht
Minuten, nachdem die Reise begonnen hatte, bereits mit einem winzigen blauen Planeten, den wir Erde nennen,
zusammen. Pech gehabt, könnte man sagen. Für uns Erdenbewohner aber das große Glück, denn ohne
diese ständige Energiezufuhr würde hier kein Leben möglich sein, oder würden Sie noch bei -240 Grad
Celsius zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren?
Nun aber zurück zu den dunklen Linien in den Spektren der Sterne. Können wir diese mit den "Stufen",
oder physikalisch präziser, mit den "Energieniveaus" der Elektronen im Atom verstehen? Nehmen wir
der Einfachheit halber an, unser Stern bestünde gänzlich aus Wasserstoff, so daß auch nur dieses Element
in seinem Spektrum auftauchen kann. Von der Sonne haben wir bereits gelernt, daß diese in ihrem Inneren
Millionen Grad heiß ist, an ihrer Oberfläche aber "nur" etwa 5800 Grad hat. Da es hier im Außenbereich also
vergleichsweise "kalt" ist, wird die viel heißere Strahlung aus dem Inneren der Sonne besonders "gerne"
aufgenommen. Licht, das also auf dem Weg aus dem Inneren der Sonne nach außen zu uns unterwegs
ist, wird so an seinem weiteren Weg gehindert. Allerdings nicht alles Licht, sondern nur dasjenige,
welches genau die durch das Wasserstoffatom vorgegebenen Stufen, d.h. also Energien, besitzt.
Genau da, wo heißes Wasserstoffgas im Labor, so wie in Abbildung 3, sein Licht aussendet, verschluckt
nun das Wasserstoffgas in der äußeren Atmosphäre der Sonne das Licht derselben. Damit bekommt
das Spektrum der Sonne an dieser Stelle ein Energiedefizit, das sich für den Beobachter als dunkle
"Spektrallinie" äußert. Übrigens "merkt" der Stern, wenn er an der Abstrahlung seiner Energie durch die
Spektrallinien gehindert wird. Er heizt sich daher ein wenig auf und sendet jetzt in den Bereichen zwischen
den Linien mit einer etwas erhöhten Intensität, so daß die Gesamtbilanz dieselbe bleibt.
Für die Astronomen sind die Spektrallinien praktisch wie ein Geschenk. Dieser Spur zu folgen, hat ihnen
bis heute mit immer größerer Präzision verraten wie die Sonne, beziehungsweise die Sterne, funktionieren.
Findet man zum Beispiel Linien von Eisen (Fe), Nickel (Ni), oder Silizium (Si), wie in Abbildung 2 gezeigt,
so ist klar, daß diese auf der Sonne vorkommen. Die Stärke dieser Linien gibt zudem die Häufigkeit
ihres Vorkommens an, aber nicht nur das: die Astronomen haben im Verlauf vieler Jahrzehnte auch gelernt,
die Temperatur und die Dichte der Sterne aus den Spektrallinien abzulesen. Temperatur, Dichte, und
chemische Elemente - also quasi die Betriebsbedingungen und der Brennstoff des Sonnenofens…
Wie ein Puzzle fügt sich mit den Spektren der Sterne ein Teil an das nächste, und schließlich lassen sich in
vielen Fällen sogar die Masse und das Alter der Sterne ablesen. So erschließt sich - einem Archäologen gleich -
den Astronomen die Entstehung und Entwicklung der Milchstraße aus den Spektrallinien der Sterne.
Im vierten und letzten Teil "Im Licht der Sterne lesen" werden wir weitere Beispiele der Spektralanalyse
kennen lernen