Die Astrophysiker auf dem Roque de los Muchachos und auch an anderen Observatorien kann
man - vereinfacht gesagt - in zwei Klassen einteilen, in Photometriker und Spektroskopiker. Sowohl
die Photometriker als auch die Spektroskopiker beschäftigen sich wiederum entweder mit Sternen
oder mit Galaxien. Damit hätte man dann also vier Grundtypen von Beobachtern unter den
Astronomen. Die meiste Verbreitung findet sich weltweit übrigens mit dem Photometriker,
der sich mit Galaxien beschäftigt. Den trifft man sozusagen überall an. Eine eher seltene Spezies
sind hingegen die Sternspektroskopiker. Natürlich gibt es neben diesen so genannten "Beobachtern"
auch Astrophysiker, die in aller Regel an ihrem Heimatinstitut bleiben und von dort über all das
nachdenken, was sich da am Himmel abspielt, und dazu ihre eigenen Theorien entwickeln.
Diese so genannten Theoretiker haben den Vorteil, daß sie in aller Regel zu humanen Zeiten ihrer Arbeit
nachgehen können. Sie müssen also nicht erst weit verreisen und dann auch noch nachts hart arbeiten.
Andererseits besagt eine alte und weise Erkenntnis der Astrophysik, daß die von ihnen aufgestellten
Theorien nicht selten von sämtlichen Kollegen komplett abgelehnt werden, so daß die Theoretiker
wiederum bemüht sind, ihre Theorien mit geeigneten Daten ihrer Beobachterkollegen zu untermauern.
Die Beobachter wiederum haben den Vorteil, daß praktisch alles, was sie so beobachten, sofort auch
akzeptiert wird. Schnell brandet allgemeiner Jubel auf und lediglich der Beobachter selbst weiß, wo
der Haken bei seinen Daten liegt. Meist hält man sich aber bedeckt, hat man doch auch schon eine
konkrete Vorstellung, wie das, was da gerade durch nächtliche Beobachtungen "zu Tage" gefördert
wurde, durch geeignete zusätzliche Nachbeobachtungen endgültig hieb- und stichfest gemacht werden
kann.
Trotz dieser allgemeinen Zustimmung heißt es aber auch nicht selten: "Na gut, das hätte ich im Prinzip
auch beobachten bzw. herausbekommen können. Da hatte er oder sie halt ein glückliches Händchen."
Mit anderen Worten man nimmt zwar zur Kenntnis, was da beobachtet wurde, dem Beobachter selbst
traut man aber trotzdem meist nicht allzu viel zu. Das wiederum spornt diesen an, durch noch
detaillierte Beobachtungen seine Kollegen eines Besseren zu belehren. Hier liegt nun aber die große
Chance der Theoretiker. Nachdem manche nicht selten viele Jahre zunächst ignoriert wurden, dann
aber mit ihrer Theorie eine völlig unverstandene Beobachtung in wunderbarer Weise erklären konnten,
erfuhren sie in der Folge extreme Beachtung und Respekt für ihre Arbeit.
Nun aber zurück zu den Beobachtern an den Teleskopen. Diese sind, wie gesagt, in aller Regel
entweder Photometriker oder Spektroskopiker. Was nun erstere von diesen umtreibt und was es mit
der von ihnen betriebenen Photometrie auf sich hat, soll heute unser Thema sein.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts, also etwa zu der Zeit, als sich die Physiker über die zuletzt
besprochenen Temperaturstrahler Gedanken machten, hielt auch die Photographie Einzug in die
Astronomie. Die photographischen Platten waren allerdings, anders als das menschliche Auge,
mehr für das energiereichere blaue Licht empfindlich. Wollte man also auf den Photographien genau
den Eindruck erhalten, den man mit dem bloßem Auge hatte, so mußte man mit Filtern arbeiten,
die bevorzugt das gelbe Licht durchließen.
Man kann sich heute gut vorstellen, daß hier von Anfang an eine große Experimentierfreude unter
den Astronomen an der Tagesordnung war. Da etwa auch zur gleichen Zeit, wie gesagt, die
theoretischen Grundlagen für die Temperaturstrahler von den Physikern erarbeitet wurden, dürfte
es auch gar nicht lange gedauert haben, bis klar wurde, was die unterschiedlichen Farbfilter
auf den photographischen Platten zu Tage gefördert hatten. Beobachtete man zum Beispiel eine
Himmelsregion mit einem roten Filter und anschließend mit einem blauen Filter, so wurden manche
Sterne heller, andere aber dunkler. Sicher, das war zunächst verblüffend. Es war aber im Prinzip
auch klar, daß die Sterne, die man da beobachtete, heiß sein mußten. Diese waren somit auch nichts
anderes als - und das ist jetzt wichtig - Temperaturstrahler. Ein Stern, der also mit einem Blaufilter
betrachtet vergleichsweise heller wurde, mußte daher auch sehr heiß sein, und umgekehrt, mußten die
Sterne, die besonders viel Licht im roten Bereich abstrahlten, eher kühl sein. So hatten wir es ja auch
mit den Infrarotaufnahmen von Zeta Cancri im letzten und vorletzten Monat bereits gelernt.
(Vergleichen Sie hierzu noch einmal die Abbildung 2 vom Dez-2006.)
Anders ausgedrückt, bereits zwei Aufnahmen ein und derselben Himmelsregion genügten bereits,
um zu einer ersten wichtigen Klassifizierung der Sterne zu gelangen. Das ist die Stärke der Photometrie.
Die Beobachtungen sind schnell durchführbar und man kann anhand der Ergebnisse entscheiden,
welche der vielen photometrisch beobachteten Sterne sich eventuell als besonders interessant
entpuppen könnten, um anschließend von diesen zusätzliche Spektren aufzunehmen. Letzteres
ist nämlich viel aufwändiger, wie wir im nächsten Monat noch sehen werden.
Um mit der Vorgehensweise und den vielen Möglichkeiten der Photometrie etwas vertraut zu werden,
betrachten wir zunächst in Abbildung 1 einen Sternhaufen mit Namen "M 55". Sternhaufen wie dieser,
werden wegen ihres Aussehens auch "Kugelsternhaufen" genannt. Sie sind gigantische Gebilde, die
nicht selten mehr als 100000 Sterne aufweisen und von denen nicht weniger als 100 unsere Milchstraße
umkreisen.
Bei der Erforschung dieser Kugelsternhaufen stellt sich natürlich unmittelbar die Frage, wie man den
inneren Bereich, also da, wo ein Stern quasi den anderen bedeckt, geeignet ausmessen will. In der
Praxis geht man daher etwas weg vom Kern, so wie in Abbildung 2 für den berühmten
Kugelsternhaufen 47 Tucanae gezeigt.
47 Tucanae ist ein typisches Objekt der Südhalbkugel. Abbildung 2 zeigt diesen Kugelsternhaufen
gleichsam als photographisches Negativ. Die Sterne selbst sind hier also die schwarzen Punkte.
Diese Aufnahme aus dem Jahre 1983 wurde allerdings bereits mit einer CCD Kamera erhalten, die
ein Vielfaches der Lichtausbeute gegenüber einer photographischen Platte besitzt. Während bei letzterer
nämlich nur etwa 1% des einfallendes Lichts zur Auswertung gelangt, sind es bei den CCDs
typischerweise 80%! Wenn man bedenkt, daß fast allen Objekten am Nachthimmel eines gemein ist,
nämlich daß sie zu wenig Licht aussenden (weswegen man ja die großen Teleskope baut), so kann man
sich unschwer vorstellen, welche Revolution es geradezu bedeutete, als die ersten CCDs Anfang der
1980er Jahre in der Astronomie Einzug hielten. Eine einstündige Belichtung ließ sich nun mit gleicher
Qualität in weniger als einer Minute machen. Andererseits waren nun aber mit einstündigen Belichtungen
Dinge zu sehen, von denen man früher nur träumen konnte.
So auch, bei 47 Tucanae. Die seinerzeit noch vergleichsweise kleinen CCDs (300x500 Pixel) wurden
zunächst auf die in Abbildung 2 mit "F3" und "F4" angedeuteten Felder gelegt. Diese sind in Abbildung 3
noch einmal vergrößert gezeigt und enthalten jeweils mehrere 1000 Sterne.
Während eine einzige CCD Belichtung nur 15 Sekunden dauerte, waren die photometrischen
Auswerteprogramme nicht weniger als 25 Stunden damit beschäftigt, die einzelnen Sterne pro Feld zu
identifizieren und genau auszumessen. Bei zwei Feldern, mit jeweils zwei Filtern, dauerte es also nicht
weniger als 100 Stunden bis die Meßergebnisse von 47 Tucanae zunächst vorlagen. Heutige Rechner
schaffen das zwar in weniger als einer Minute, aber die CCDs sind mittlerweile auch deutlich größer
geworden und so bekommen moderne Rechenmaschinen noch immer hinreichend viel zu tun.
Die Ergebnisse werden, wie in Abbildung 4 in Tabellenform gezeigt, dann automatisch auf digitale
Datenträger abgespeichert. Zum Verständnis der Tabelle in Abbildung 4 sei gesagt, daß das eigentliche
photometrische Ergebnis die "V" und "B" Helligkeiten der Sterne sind. "V" bedeutet hierbei die visuelle
Helligkeit eines Sterns und entspricht damit einem Filter, der das für das menschliche Auge besonders
gut sichtbare gelbe Licht durchläßt. "B" hingegen bezeichnet eine Aufnahme mit einem Blaufilter, also
den blauen Anteil des sichtbaren Lichts. "B-V" ist sodann der Unterschied zwischen blauem und gelbem
Licht des Sterns und charakterisiert damit den Temperaturstrahler bzw. dessen Effektivtemperatur.
Diese hatten wir ja schon im Zusammenhang mit der Sonne besprochen (siehe Jun-2006). Die Sonne
hat zum Beispiel eine Effektivtemperatur von etwa 5800 Grad Kelvin und ein "B-V" mit dem Wert
B-V=0.67. Sie ist bekanntlich ein gelber Stern. Sterne mit B-V größer als 1.0 hingegen sind rote Sterne.
Je kleiner das B-V, umso blauer ist der Stern, daher nennt man B-V auch die "Farbe" eines Sterns.
Hat ein Stern also die B-Helligkeit B=2.67 und die V-Helligkeit V=2.00, so wäre seine Farbe B-V=0.67.
Dieser Stern wäre in V heller als in B, da aus historischen Gründen die Helligkeiten der Sterne bei
zunehmendem Wert kleinere Zahlen erhalten. Ob diese Einteilung nun besonders geschickt war oder nicht,
sei dahingestellt. Genauso dürfte man auch fragen, warum der Tag 24 und nicht 10 oder 100 Stunden haben
kann. Und warum hat eine Stunde 60 und nicht 100 Minuten? Da ließe sich doch vieles einfacher rechnen.
Wollte man das aber heute noch umändern, müßten auch unzählige Kirchturmuhren umgebaut werden.
Und das wäre sicher noch das geringste Übel...
Merken wir uns daher nur kurz, daß - vereinfacht gesprochen - die schwächsten noch mit bloßem Auge
sichtbaren Sterne etwa die Helligkeit V=6 haben. Die hellsten Sterne haben etwa V=1, und eine
Helligkeitsstufe bedeutet etwa einen Faktor 2.5. Also: ein Stern der Helligkeit V=1 ist 2.5 mal heller, als
ein Stern mit der Helligkeit V=2, und somit 2.5 x 2.5 mal heller als ein Stern mit der Helligkeit V=3.
Das wiederum heißt: ein V=1 Stern ist 100 mal heller ist als ein V=6 Stern. Fünf Größenklassen, wie man
sagt, entsprechen also immer einem Faktor 100. Von der Helligkeit V=6 nach V=16 ist es daher ein
Helligkeitssprung um den Faktor 100 x 100 = 10000. Sterne mit der Helligkeit V=16 sind also 10000 mal
schwächer, als die mit bloßem Auge gerade noch wahrnehmbaren Sterne. Genau um solche, und auch noch
deutlich schwächere Sterne, geht es aber bei dem Kugelsternhaufen 47 Tucanae in Abbildung 2 bzw. 3.
Jetzt kommt der für den Astronomen spannende Augenblick. Nachdem alle Sterne aus den CCD
Aufnahmen ausgemessen sind, werden diese in ein Entwicklungswegdiagramm eintragen, so wie wir es
im Fall der Sonne (Jun-2006/Jul-2006) schon kennengelernt haben. Nach oben trägt man die Leuchtkraft,
also jetzt die V-Helligkeit der Sterne ein, nach rechts hingegen die Effektivtemperatur bzw. das
photometrische Maß für diese, die B-V Farbe. Abbildung 5 zeigt dies für 47 Tucanae.
Und was ist daran jetzt so spannend? Vergleichen wir in Abbildung 5 zunächst das rechte Teilbild mit
der Abbildung 2 vom Jul-2006, so stellen wir gewisse Ähnlichkeiten fest. Die seinerzeit mit den
Buchstaben E und F gekennzeichnete Region ist jetzt in Abbildung 5 bei etwa V=17 vorzufinden,
die Buchstaben J und K hingegen bei V=14. Nur, während in der Abbildung 2 vom Jul-2006 der
Entwicklungsweg eines einzigen Sterns, der Sonne, dargestellt wurde, haben wir es hier in Abbildung 5
mit einer Beobachtung, also einer Momentaufnahme, von allerdings mehreren 1000 Sternen zu tun.
Diese haben alle das gleiche Alter, aber unterschiedliche Massen. Das heißt, die Sterne mit den größeren
Massen verbrauchen ihren Wasserstoff schneller und entwickeln sich daher auch schneller in das
Gebiet der Roten Riesen. Es gibt aber auch viele Sterne im Kugelsternhaufen 47 Tucanae mit weniger
Masse, als es die Sonne hat, und diese Sterne entwickeln sich dann auch viel langsamer.
Entsprechend ihrer Masse besetzen die vielen 1000 hier gezeigten Sterne einen charakteristischen Punkt
im Diagramm. Der hier bei V=17 gut zu erkennende "Abknickpunkt" in das Gebiet der Riesensterne
verrät nun sehr genau welche Masse die hier sitzenden Sterne haben und somit auch ihr Alter.
Das Diagramm in Abbildung 2 ist daher sehr dazu geeignet, eine Altersbestimmung von 47 Tucanae
zu machen. Das Ergebnis ist: 47 Tucanae hat ein Alter von über 10 Milliarden Jahren, das heißt, diesen
Kugelsternhaufen gibt es bereits seit der Anfängen der Milchstraße bzw. des Universums.
Den Fortschritt, den man seinerzeit mit den CCD Aufnahmen erhalten konnte, zeigt übrigens der Vergleich
mit den beiden anderen Diagrammen in Abbildung 2, welche ältere Beobachtungstechniken repräsentieren.
Zweifellos lässt die CCD Aufnahme nicht nur eine höhere Präzision erkennen, sondern erreicht auch deutlich
schwächere Sterne, die für andere Aspekte von 47 Tucanae ebenfalls sehr wichtig sind.
Nichtsdestotrotz haben photometrische Beobachtungsmethoden aber auch ihre Nachteile. Die Stärke, viele
Daten mit einem Schlag zu erfassen, ist gleichzeitig auch ihre Schwäche, denn man erhält nur einen sehr
vereinfachten Gesamteindruck. Vergleichen könnte man dies zum Beispiel mit folgender Aussage:
in der Stadt X leben 100000 Menschen, davon sind 20% Kinder, 30% Rentner und die Stadt hat
ein Alter von etwa 1200 Jahren. Nehmen wir an, diese Informationen ließen sich allein mit einer einzigen
Luftaufnahme herausbekommen. Fliegen wir also zur nächsten Stadt und machen dort die nächste Messung?
Für den Augenblick sicher keine schlechte Idee, noch wollen wir uns ja nur einen Überblick verschaffen.
Aber reizt es uns nicht auch, eventuell das Flugzeug zu landen und die Einwohner der Stadt X einmal
näher zu erfahren?
Sicher, wir können nun nicht, um im Bild zu bleiben, so einfach zu den nächsten Sternen oder Galaxien
fliegen. Aber während die Photometrie eher für das grobe Gesamtbild zuständig ist, wird es, wie nicht
wenige meinen, erst so richtig spannend, wenn die Spektroskopie in der Astronomie ins Spiel kommt
und eine Unmenge von Details ans Licht fördert.
Im dritten Teil dieser kleinen Serie daher die Grundzüge der spektroskopischen Beobachtungstechnik.