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Der Himmel über La Palma, von Klaus Fuhrmann


Was uns mit den Sternen verbindet


Nachdem wir in den letzten Monaten viel Wissenswertes über die Sonne erfahren haben - und vielleicht auch nicht wenige Menschen auf dieser Insel leben, weil es hier recht viel Sonne gibt - so ist zumindest mal der Bezug zu unserem Heimatstern hergestellt. Das eigentliche Thema geht aber in eine etwas andere Richtung.

Von der Sonne wissen wir, was sie am "Leben" hält, nämlich die Verbrennung von Wasserstoff in Helium. In einigen Milliarden Jahren folgt zudem die Verbrennung von Helium in Kohlenstoff und Sauerstoff. Diese hier beteiligten Elemente - Wasserstoff, Helium, Kohlenstoff und Sauerstoff - sind den meisten von Ihnen durchaus bekannt, insbesondere die Verbindung von zwei Teilen Wasserstoff mit einem Teil Sauerstoff: das Wasser.

Fügt man sehr viele der winzigen Wassermoleküle zueinander, so erhält man irgendwann einen Tropfen, ein Glas Wasser, oder, wenn es gleich etwas mehr sein soll, ein ganzes Schwimmbad davon.
Die Sauerstoffteilchen, bzw. Atome, sind allerdings viel größer als die Wasserstoffatome, und auch ihre Masse übertrifft die von Wasserstoff um das etwa 16fache. So kommt es also, daß ein Schwimmbad gefüllt mit Wasser, zwar doppelt soviel Wasserstoffatome wie Sauerstoffatome enthält, bezüglich der Masse aber zu etwa 90% aus Sauerstoff besteht.

Trotz dieses Überangebotes an Sauerstoff droht Nichtschwimmern aber eine akute Unterversorgung desselben, wenn sie ungewollt vom Beckenrand hineinfallen.
Warum ist das so? Die Antwort ist den meisten natürlich bekannt: in gebundener Form, also in Verbindung mit Wasserstoff, nützt uns der Sauerstoff beim Atmen nicht. Auf elektrischem Wege kann man aber Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen, ein Vorgang der heute in der chemischen Industrie tagtäglich tausendfach zum Einsatz kommt.

Nicht viel anders ist es auch mit der uns umgebenden Luft. Diese besteht nur zu etwa 20% aus Sauerstoff. Der Rest wird fast ausschließlich von einem Gas gestellt, das allgemein unter dem Namen "Stickstoff" bekannt ist. Dieses wird also bei jedem Luft holen praktisch "völlig sinnlos" ein- und ausgeatmet…

Als man vor etwa 100 Jahren in der Physik damit begann, den Aufbau der Materie systematisch zu erforschen, wurde sehr schnell klar, daß Wasserstoff das einfachste aller Teilchen oder "Atome" sein muß.
Dieses besteht, wie sich herausstellte, nämlich aus lediglich einem winzigen Atomkern, "Proton" genannt, und ist umgeben von einem noch viel winzigeren Elementarteilchen, dem "Elektron". Etwa 10 Millionen solcher Wasserstoffatome nebeneinander gelegt ergeben gerade einmal eine Länge von einem Millimeter. Die einzelnen Atome sind also sehr, sehr klein.

Das mag noch nicht allzu überraschend klingen. Kaum jemand hätte erwartet, daß Atome alles andere als klein sind. Doch jetzt folgt eine äußerst verblüffende Erkenntnis aus der damaligen Zeit: hat ein Atom zwei Protonen in seinem Kern, so hat man etwas völlig Neues, einen Baustein der Materie, der sich vom Wasserstoff grundlegend unterscheidet. Dieser trägt den Namen Heliumatom.

Und weiter: Atome mit drei Protonen im Kern ergeben das Element "Lithium", vier Protonen das Element "Beryllium", und fünf Protonen das Element "Bor". Die Namen dieser drei Elemente sind vielen gewiß nicht geläufig, wenngleich sich aber z.B. so manche Lithiumbatterie in Ihrem Haushalt befinden mag.

Bei sechs Protonen im Kern wird es aber wieder spannend. Dieses Element ist der Kohlenstoff, und den findet man nicht nur im Bergbau, sondern in ungezählten Verbindungen auch im menschlichen Körper (auch wenn viele ja durchaus der Ansicht sind, daß es doch immer die "Kohle" ist, die fehlt).

Finden sich sieben Protonen in einem Atomkern, so erhalten wir das bereits oben erwähnte Element Stickstoff. Und fügt man lediglich noch ein Proton dem Atomkern hinzu, so gelangen wir zum Element Sauerstoff.

Das klingt alles genial einfach und ist es im Grunde auch, wenngleich ich Ihnen an dieser Stelle viele Details zum Aufbau der Atome und Atomkerne natürlich schuldig bleiben muß. Wichtig ist nur zu verstehen, daß die verschiedenen Elemente sich stets durch die Anzahl der Protonen im Kern unterscheiden.

Die Chemiker haben so durch die Jahrhunderte in vielen Experimenten empirisch feststellen können, mit welchen Grundelementen sie es im Prinzip zu tun haben. In der Natur gefundene Mineralien wurden erhitzt oder an Stromkreise angeschlossen und so in ihre Bestandteile zerlegt. Nicht selten kamen dann bereits bekannte Elemente zum Vorschein.

Nehmen wir noch ein Beispiel, das berühmte Kochsalz: wenn man dieses auf seine Bestandteile zurückführt, erhält man Natrium und Chlor. Ersteres ist ein Metall, dessen Atomkerne bereits 11 Protonen besitzen, und letzteres ein Giftgas mit jeweils 17 Protonen im Kern. Beide Elemente für sich genommen sind der Gesundheit des Menschen gewiß nicht zuträglich. Wenn aber ein Natriumatom erst einmal sein Chloratom gefunden hat und beide in chemisch gebundener Form als Kochsalz vorliegen, bereichert es so manches Essen.

Um es also noch einmal klar herauszustellen: das uns vertraute Kochsalz ist letztlich eine chemische Verbindung bestehend aus den Elementen Natrium und Chlor. Wasser ist eine chemische Verbindung bestehend aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff. Und wichtig ist auch noch einmal festzuhalten, daß die einmal eingangenen Verbindungen wenig bis gar nichts mit den Elementen gemeinsam haben, aus denen sie hervorgegangen sind. Also auch die chemischen Verbindungen aus verschiedenen Elementen haben ihre ganz eigene Qualität.

Es gibt aber doch einen entscheidenden Unterschied: wenn man z.B. Kochsalz chemisch herstellen möchten, braucht man lediglich größere Mengen von Natrium und Chlor, sowie einen dazugehörigen Versuchsaufbau.
Aber was ist, wenn Ihnen eines dieser Elemente ausgeht? Wie kommen Sie dann zu Ihrem Salz? Das ist durch die Jahrhunderte das Dilemma der Alchimisten gewesen, die in ungezählten Versuchen bemüht waren, Gold auf chemischem Wege herzustellen. Gold ist aber, anders als Kochsalz oder Wasser, keine chemische Verbindung, sondern auch eines jener Grundelemente, wie Wasserstoff oder Sauerstoff.

Und wieviele Protonen besitzt Gold in seinem Kern, werden Sie sich nun fragen. Nun, es sind genau 79.

Kann man denn dann nicht einfach 79 Wasserstoffatome zu einem Goldatom zusammenfügen? "Im Prinzip ja", lautet die Antwort, doch dann kommt bereits das "aber". Denn schon allein für den ersten Schritt, zwei Wasserstoff-Protonen zusammenzuführen, brauchen Sie Temperaturen von Millionen von Grad.
Das ist in der Praxis nicht einfach umzusetzen, wenngleich die Existenz der Wasserstoffbombe, die genau diesen Prozeß durchzieht, die prinzipielle Durchführbarkeit eingehend demonstriert.

Wer soll dann also das Gold herstellen? Können wir das nicht einfach doch "nur" in der Erde suchen? Können wir natürlich. Aber die Frage, die uns hier beschäftigt, ist doch: wie kommt das Gold eigentlich dahin?

Haben Sie vielleicht schon eine Idee? Es könnte ja mit den irgendwie mit den Sternen zusammenhängen, denn immerhin ist dieser Text ja gewiß nicht als Anleitung für Goldgräber gedacht.

Nachdem wir uns nämlich in den zurückliegenden Monaten mit der Sonne beschäftigt haben und z.B. klar geworden ist, daß es Temperaturen von 100 Millionen Grad bedarf, um auch nur ein einziges, einfaches, aus sechs Protonen bestehendes Kohlenstoffatom herzustellen, kann man sich in etwa ausmalen, wieviel schwieriger es sein mag, die höheren Atome, also etwa Gold mit 79 Protonen im Kern, herzustellen.

Um nun eine gewisse Ordnung in die Vielzahl der existierenden Elemente zu erhalten, betrachten wir an dieser Stelle zunächst das sogenannte "Periodensystem der Elemente" in Abbildung 1. Das ist vereinfacht ausgedrückt, das uns zur Verfügung stehende "Baumaterial", also alles das, woraus sozusagen die Welt besteht.


La Palma Astrophysik


Abbildung 1: Das Periodensystem der Elemente - das Material aus dem die Welt besteht. In der ersten Reihe stehen die Kästchen "H" und "He" für die Elemente Wasserstoff und Helium. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl der Protonen im Atomkern: Wasserstoff hat ein Proton, Helium zwei Protonen. Alle weiteren Elemente werden durch Hinzufügen eines weiteren Protons gebildet. So hat Kohlenstoff 6 Protonen, Sauerstoff 8, Silizium 14, Eisen 26, Gold 79, und Uran 92. Alles, was uns umgibt, ist letztlich aus diesen etwa 100 verschiedenen Elementen aufgebaut.
Viele Stoffe unserer Erfahrungswelt begegnen uns als Kombinationen aus diesen Elementen. NaCl z.B., das Natriumchlorid, ist das uns vertraute Kochsalz. Man kann sich leicht vorstellen: die Möglichkeiten zum Kombinieren der Elemente sind schier unerschöpflich. (aus: Henniger-Franck, Chemie, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 1971)

In der ersten Reihe in Abbildung 1 erkennen wir die Kästchen mit den Buchstaben "H" und "He", d.h. die Elemente Wasserstoff und Helium. In der zweiten Reihe steht unter Nummer 6, das Element "C" mit den 6 Protonen, also Kohlenstoff. Wir erkennen sodann "N" für das Element Stickstoff, und "O" für Sauerstoff.
An 14. Stelle steht "Si" für Silizium, sehr wichtig für das Instrument, vor dem Sie gerade sitzen, und an 26. Stelle findet sich "Fe", das berühmte Element Eisen.

Die Sonne produziert in jeder Sekunde Unmengen von Helium, und in einigen Milliarden Jahren dann auch Kohlenstoff und Sauerstoff. Einen Teil davon wird die Sonne schließlich in den Weltraum abgeben. Der Rest verbleibt allerdings in dem sich bildenden Weißen Zwerg. Das haben wir bereits alles in den letzten Monaten besprochen.

Nun gibt es aber auch Sterne, die sehr viel massereicher sind als die Sonne. Diese verwandeln bei noch viel höheren Temperaturen weitere einfache Elemente in sehr viel komplexere um.
So wird aus zwei Kohlenstoffatomen das Magnesium aufgebaut. Fügt man ein Heliumatom hinzu, erhält man Silizium. Und letzteres ist wiederum für den Aufbau von Eisen entscheidend.

Stets wird dabei Energie frei. Die nötigen Zündtemperaturen im Sterninneren überschreiten aber schließlich sogar 1 Milliarde Grad, und die Verbrennungsprozesse laufen in immer kürzeren Zeiträumen ab: Jahre, Monate und Tage sind es nur noch. Dann geht es schlagartig zu Ende.
Und, wie könnte es bei den massereichen und extrem hellen Sternen anders der Fall sein: für einen spektakulären Abgang ist gesorgt, nicht selten in Form einer gewaltigen Sternexplosion einer sogenannten Supernova.
Diese wirft einen Großteil dessen, was da im Inneren zusammengebraut wurde einfach "über Bord", bzw. genauer, in den Weltraum. Dort erhält das frisch prozessierte Material die Möglichkeit, sich mit anderen bereits im Weltraum herumtreibenden Wolken aus Gas und Staub zu durchmischen - die Chance für einen Neuanfang, vielleicht eines Tages ein neues Sonnensystem…

So jedenfalls könnte unser Sonnensystem vor 4.5 Milliarden Jahren entstanden sein. Und auch wenn das jetzt bereits sehr weit in der Vergangenheit zurückliegt, so wissen wir doch heute, daß schon vor 4.5 Milliarden Jahren die Sterne unserer Milchstraße etwa 90% der heute vorhandenen höheren Elemente erbrütet hatten. Als die Sonne und mit ihr unser Sonnensystem auf den Plan traten, war also zumindest in diesem Punkt schon fast alles gelaufen.

Jetzt werfen Sie noch einmal einen Blick auf das Periodensystem in Abbildung 1 und das bereits erwähnte Element Eisen mit 26 Protonen in seinem Atomkern.
Dieses hat bei der im Sterninneren ablaufenden Kernfusion insofern eine zentrale Rolle, als die Erzeugung von Elementen mit mehr als 26 Protonen im Kern - also Elemente jenseits von Eisen - keinen Energiegewinn mehr darstellt. Im Gegenteil, der Aufbau höherer Elemente kostet nun einiges, und das ist dann der eben beschriebene Kollaps der Sternmaterie, gefolgt von einer Sternexplosion, bei der ein großer Teil der äußeren Bereiche des Sterns in den Weltraum gejagt wird.
In dieser allerletzten, extrem heißen, und turbulenten Phase, fusionieren dann auch viele der schwereren Elemente in Sekunden. Verglichen mit Eisen bleiben sie aber doch Spurenelemente, was letztlich die Suche nach Gold auf der Erde auch so schwierig macht.

Es ist allgemein bekannt, daß wir Menschen in unserem Körper zusammengenommen auch einige Gramm Eisen besitzen. Hier ist vor allem der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, zu nennen. Das Eisen nehmen wir über die Nahrung auf. Irgendwann früher lag dieses Eisen noch in der Erde unseres Planeten, aber hingekommen ist es da als Produkt der Kernfusion eines längst verloschenen Sterns. In diesem Sinne sind wir Erdenbewohner also zugleich auch die "Außerirdischen", die nun erst seit wenigen Jahrzehnten ihre Herkunft begreifen.

Vielleicht ist aber genau das die Faszination, den Sternhimmel zu betrachten. Vielmehr als nur die hellen Lichtpunkte wahrzunehmen, sich klar zu werden, daß unsere einstige Heimat längst erloschene Sterne sind, aus deren Innerem wir letztlich hervorgehen konnten…


La Palma Astrophysik


Abbildung 2: Reste einer Supernova, einer Sternexplosion. Die hier mit großer Geschwindigkeit freigesetzte Materie durchmischt sich mit der lokalen Umgebung und steht dann im Prinzip für eine neue Generation von Sternen zur Verfügung.


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