Nachdem wir im letzten Monat die möglichen Szenarien für die Geburt der Sonne
besprochen haben, wenden wir uns nun dem ersten, etwa 8 Milliarden Jahre dauernden,
Abschnitt im "Leben" unseres Heimatsterns zu.
Nun wissen wir zwar nicht, ob die Sonne tatsächlich als Einzel- oder Mehrfachstern
entstanden ist, wir nehmen aber im Folgenden der Einfachheit halber an, die Sonne wäre stets
der Einzelstern gewesen, als der er sich uns auch heute präsentiert. Für diesen Fall geht man
davon aus, daß die "Geburtswehen" - also das Zusammenziehen einer ursprünglichen Gaswolke
bis zu einem stabilen Gleichgewicht durch Einsetzen der Wasserstoff-Kernfusion - etwa
50 Millionen Jahre gedauert haben mag.
Danach hatte die Sonne zunächst einen Durchmesser von etwa 90% des heutigen Wertes,
und war mit einer Temperatur von "nur" 5300 Grad Celsius an der Oberfläche auch etwa
200 Grad kühler als heute. Für die Energieproduktion oder Leuchtkraft der Sonne bedeutet
das eine Verringerung um 30% gegenüber dem heutigen Wert. Die Sonne war zu dieser
Zeit also eine merklich kleinere und auch eher dunkelgelb bis orange leuchtende Gaskugel.
Die hier vorgestellten Details in Bezug auf Größe, Temperatur und Leuchtkraft der Sonne lassen
sich heutzutage mit relativ aufwendigen Programmen - und dennoch in wenigen Minuten - auf jedem
handelsüblichen Notebook durchrechnen. Sie sind sozusagen Standardwissen der Astrophysik
geworden. Schwierig, bzw. in wesentlichen Fragen noch nicht verstanden, ist jedoch, wie wir
ja zuletzt in Teil II erfahren haben, die Geburt eines Sterns. Wenn dann aber mit dem Beginn der
Kernfusion ein im Fall der Sonne mehrere Milliarden Jahre andauernder Gleichgewichtszustand
folgt, ist diese sodann nur eine gewöhnliche heiße Gaskugel, die in ihrem Inneren beständig
Wasserstoff in Helium umwandelt, die dabei freiwerdende Energie nach außen (also in den
Weltraum) abstrahlt, während die verbleibende "Helium-Asche" nach unten, oder besser gesagt nach
innen, also in das Zentrum der Sonne, sinkt.
Und dieser Zustand dauert in der Sonne sehr lange an, von etwa 8 Milliarden Jahren darf man
ausgehen. Da unser Sonnensystem - also die Sonne, die Erde, und auch die anderen Planeten -
derzeit etwa 4.5 Milliarden Jahre alt sind, befinden wir uns gegenwärtig mitten in dieser eher
ruhigen Phase.
Was bewirkt nun aber das Freisetzen der Energie im Inneren der Sonne und um welche Mengen
handelt es sich dabei? Der erste Teil dieser Frage wird mit der Bindungsenergie der Atomkerne
beantwortet. Das heißt, daß das Verschmelzen von vier Wasserstoff-Atomkernen zu einem
Helium-Atomkern eine in Bezug auf die Energiebilanz kompaktere Bauweise darstellt. Dabei wird
eben besagte Bindungsenergie frei, so wie beispielsweise auch ein Meteorit, der in den
Anziehungsbereich - oder genauer das Gravitationsfeld - der Erde gelangt, letztlich durch den
Aufprall auf der Erdoberfläche seine gewonnene Energie in eindrucksvoller Weise freisetzt.
Und da die in den Atomkernen herrschenden Kräfte extrem hoch sind, sind es auch die beteiligten
Energiemengen, die bei dem Fusionsvorgang frei werden. Für die Sonne sind das nicht weniger
als 3.85 x 10^23 kWs, oder ausgeschrieben: 385 000 000 000 000 000 000 000 kilo Watt Sekunden.
Bedenkt man, daß ein Jahr 8760 Stunden hat, so erhält man eine Energiemenge von sage und
schreibe 3.37 x 10^27 kWh pro Jahr!
Dieser Betrag wird natürlich gleichmäßig, d.h. in alle Himmelsrichtungen, von der Sonnenoberfläche
in den Weltraum abgestrahlt. Da nun aber die Erde in 150 Millionen Kilometer Entfernung von der Sonne
steht, ist sie von dieser aus gesehen ein "Nichts", und daher erhalten wir von dem, was die Sonne insgesamt
in den Weltraum an Energie abstrahlt, auch gerade einmal ein halbes Milliardstel. Wäre also die Sonne
ein Millionär, wir erhielten nicht mal einen Cent von ihr!
Und dennoch: da die Sonne ein so gigantisches Energiekraftwerk ist, bedeutet diese minimale
Zuwendung für unseren blauen Planeten trotz allem 20000 Mal mehr Energie als die Menschheit auf
diesem derzeit verbraucht. Da nun aber der Homo sapiens auf unserem Planeten auch einige
"Subunternehmer" in Sachen Energieproduktion hervorgebracht hat, wird es für mich nun sehr gefährlich,
als Ideologe beschimpft zu werden, wenn ich so leichtfertig über diese Wahrheiten der Energieproduktion
bzw. Energiezufuhr unseres Heimatsterns berichte. Denn besagte Subunternehmer haben natürlich
das primäre Interesse, ihre Kunden bei der Stange zu halten, damit der Absatz stimmt, und dazu gehört
daß möglichst niemand auf die Idee kommt, es gäbe auch weitaus intelligentere und umweltverträglichere
Lösungen der Energieversorgung…
Ich will mich daher an dieser Stelle eher kurz fassen, und lediglich ein Beispiel geben, was passieren
würde, wenn die Sonne eines Tages "keine Lust" mehr hätte vom Himmel zu scheinen und so unseren
Planeten mit Energie zu versorgen.
Was würde also passieren?
Stellen sie sich vor: gestern war es Sonntag und es war bestes Wetter hier auf La Palma. Vielleicht
konnten sie einen schönen Tag am Strand verbringen. Es hatte tagsüber angenehme 25 Grad und
sie haben den Sonnenuntergang genossen, nicht ahnend, daß dieser für geraume Zeit der letzte gewesen
sein sollte.
Am nächsten Morgen dann allgemeine Verwunderung: es bleibt dunkel, ohne daß irgendwer eine
Erklärung dafür hätte. Doch auch wenn man sich zunächst noch über das fehlende Licht verwundert
bzw. gar verärgert zeigt, treten schon bald die kühleren Temperaturen in den Vordergrund. Morgens hatte
es noch 15 Grad, doch bis zum Abend des gleichen Tages sind diese, da die Sonne als Motor oder
"Einheizer" nun gänzlich fehlte, um weitere 7 Grad abgefallen.
Und nun beginnt die zweite Nacht. Alle hoffen natürlich, die Sonne möge am nächsten Tag
wieder scheinen. Doch auch am Dienstag gibt es tagsüber kein Licht und Wärme. Dafür aber bereits
in der Früh den ersten Rauhreif und auch die ersten Minusgrade sogar in Los Llanos!
Bereits jetzt, nach nur zwei Tagen ohne die Energie der Sonne, wird es für die ersten Menschen
auf La Palma kritisch. Felder und Gärten frieren ein, auf den Straßen wird es glatt, und die Kälte
kriecht langsam aber sicher in die Häuser.
Tag für Tag wird es nun jeweils etwa 10 Grad kälter. Sie können sich selbst ausrechnen, wie lange
dieses "Spiel" so weitergeht. Sicher, das Meer wird für einige Tage noch eine gewisse puffernde
Wirkung zeigen. Aber es steht außer Frage, daß das Leben auf der Erde in spätestens einem Monat
nach Aussetzen der Sonne weitestgehend ausgelöscht sein dürfte.
Auf der Erde würde es -100 Grad haben, dann sogar -200 Grad. Nun wären sowohl der Sauerstoff
(bei -183 Grad Celsius) und bald darauf auch der Stickstoff (bei -196 Grad Celsius) als Flüssigkeiten
aus der Luft ausgefallen. Und schließlich hätte es etwa -240 Grad. Dann würde die Abstrahlung der
Erdwärme ein weiteres Abkühlen verhindern können. Bei -240 Grad Celsius wird das jedoch kaum
noch jemanden trösten können.
Viel mehr Abkühlen geht aber auch kaum, da der physikalisch absolute Nullpunkt bei -273 Grad
Celsius liegt. Hat man diese Temperatur erreicht, ist sozusagen alle Energie abgegeben. Mehr - oder
besser gesagt weniger - geht nicht.
Physikalisch macht es daher Sinn, alle Temperaturen auf dieser Basis zu messen. Also, nicht mehr
von "Grad Celsius" zu sprechen - wobei 0 Grad Celsius den Schmelzpunkt des Wassers bezeichnen
und 100 Grad Celsius dessen Siedepunkt - sondern bei -273 Grad Celsius zu beginnen.
Zur Ehre des britischen Physikers William Thomson Kelvin (1824-1907) ist so die "Kelvin-Skala"
eingeführt geworden, bei der also 0 Grad Kelvin -273 Grad Celsius entsprechen. Anders ausgedrückt:
bei 0 Grad Celsius hat man 273 Grad Kelvin, bei 20 Grad Celsius entsprechend 293 Grad Kelvin.
Die Kelvin-Skala gibt also stets an, um wieviel Grad man sich über dem absoluten Nullpunkt befindet.
Und wir erkennen auch sofort: winterliche 0 Grad Celsius, sind immerhin 273 Grad Kelvin und somit
ein enorm hohes Niveau, das hier von der Sonne zur Verfügung gestellt wird. Sommerliche 20 Grad
Celsius, also 293 Grad Kelvin, bedeuten indes nur 7% mehr Energie.
In der Astrophysik wird nun praktisch ausschließlich mit der physikalisch wesentlich sinnvolleren
Kelvin-Skala gearbeitet. Wann immer sie daher Diagramme mit Temperaturangaben aus Originalarbeiten
zu sehen bekommen, werden sie daher auch stets ein "K" für Kelvin statt "C" für Celsius vorfinden.
Sie können nun aber leicht durch Hinzufügen oder Abziehen der Zahl 273 die Umrechnung zwischen
beiden Systemen selbst vornehmen.
Nun aber wieder zurück zur Sonne. Wir haben jetzt gelernt, daß diese eine schier unvorstellbar hohe
Energieproduktion besitzt und damit überhaupt erst alles Leben auf unserem Planeten über Milliarden
Jahre ermöglicht hat. Nehmen sie nun die von Albert Einstein gefundene Erkenntnis, daß Materie in
Energie gemäß der berühmten Formel E=mc^2 umgerechnet werden kann (wobei c die
Lichtgeschwindigkeit - also 300000 km pro Sekunde - bezeichnet), so entsprechen den oben
erwähnten 3.85 x 10^23 kWs ziemlich genau 4 Millionen Tonnen Materie.
D.h. also: 4 Millionen Tonnen Materie werden pro Sekunde (!) in der Sonne in pure Energie
umgewandelt.
Da die Effizienz der Kernfusion aber nur bei etwa 1% liegt, sind im Inneren der Sonne pro Sekunde
nicht weniger als 400 Millionen Tonnen Wasserstoff, also 4 x 10^11 kg, von der Umwandlung in
Helium betroffen.
Die Kernfusion der Sonne läuft also sozusagen auf Hochtouren. Doch die Frage ist natürlich: Wie lange
hält das vor? Einen ersten Anhaltspunkt erhalten wir, wenn wir den sekündlichen Wasserstoffverbrauch
in Bezug zur Gesamtmasse der Sonne setzen. Letztere ist aus den Bewegungen der Planeten mit
2 x 10^30 Kilogramm (ersparen sie mir bitte auch diese Zahl wieder auszuschreiben) sehr genau
bekannt. Wir können daher schreiben
Rechnen wir diese Zahl noch von der Einheit "Sekunde" auf die Einheit "Jahr" um, so erhalten wir
schließlich 1.6 x 10^11 Jahre - also mehr als 100 Milliarden Jahre! Ein gewaltiger Zeitraum also.
Die Sonne wird allerdings nicht bis zum letzten "Tropfen" Wasserstoff ihre Energieproduktion
unbeeindruckt durchführen können. Bereits wenige Prozent der ständig produzierten Helium-Asche
in ihrem Kern reichen nämlich aus, um dort den Druck zu erhöhen, so daß es hier heißer wird, was
wiederum die Energieproduktion fördert. Die Sonne wird also ständig heißer, leuchtkräftiger
und größer. Vor 4.5 Milliarden Jahren hatte sie, wie bereits erwähnt, nur etwa 90% ihrer jetzigen
Größe und nur 70% ihrer jetzigen Leuchtkraft. In 3 Milliarden Jahren wird sie hingegen im
Vergleich zu den aktuellen Werten um 15% in ihrem Durchmesser angewachsen sein, und ihre
Leuchtkraft sogar um 30% zugenommen haben. Und dennoch: im Verlauf von hundert Millionen
Jahren passiert sozusagen fast gar nichts an Veränderung. Den Dinosauriern schien daher praktisch
auch nichts anderes vom Himmel, bzw. auf den Bauch.
Im Alter von 8 Milliarden wird die Sonne jedoch an einem Umkehrpunkt in ihrer Entwicklung
ankommen. Ab dann wird sie nicht mehr größer und heißer, sondern größer und kühler werden.
Schließlich wird sie so groß werden, daß die Planeten Merkur und Venus (und vielleicht auch die Erde)
in ihrem Inneren verschwinden.
Was in etwa in dieser fernen Zukunft mit Sonne und Erde passieren wird, davon handelt der vierte
Teil dieser kleinen Serie im nächsten Monat.