Ähnlich wie in der belebten Natur auf unserem Planeten, ist die Geburt eines Sterns
ein faszinierender und in vielen Punkten nach wie vor nicht verstandener Vorgang.
Soviel jedoch scheint sicher: kein Stern entsteht für sich alleine. Vielmehr hat man
es immer mit hunderten oder tausenden von Objekten zu tun, die "wie auf Kommando"
aus einer großen Wolke aus Gas und Staub hervorgehen. Den Astronomen
sind viele dieser sogenannten Sternentstehungsregionen bekannt, wie zum Beispiel
der berühmte Orion-Nebel in Abbildung 1, der im gleichnamigen Sternbild auch schon
mit bloßem Auge auszumachen ist.
Abbildung 1: Der Orion-Nebel aufgenommen mit dem Very Large 8 m Teleskop der
Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem Cerro Paranal in Chile. Die hier zu sehenden Sterne
haben ein Alter von wenigen Millionen Jahren und sind daher - astronomisch gesehen - extrem
jung. Kaum eines der gezeigten Objekte hat seine Sternengeburt bereits hinter sich. Diese im
Infrarotlicht gewonnene Momentaufnahme einer "Sternenkrippe" gestattet den Astronomen
wichtige Erkenntnisse aus den Frühphasen der Sternentwicklung zu erhalten.
(siehe http://www.eso.org)
Viel von dem, was sich hier abspielt, konnte erst in jüngster Zeit mit Hilfe von
Infrarotaufnahmen direkt beobachtet werden, weil nur diese den richtigen "Durchblick"
gestatten, oder, anders ausgedrückt, nur das langwellige Infrarotlicht ist geeignet, tief in
die Gas- und Staubwolken, die Geburtsstätten der Sterne einzudringen, und so die
Informationen über die physikalischen Zusammenhänge am Ort des Geschehens zu liefern.
Und das, was man da nun zu sehen bekommt, ist fast immer als "spektakulär" zu bezeichnen,
spektakulär aufgrund der Fülle von gleichzeitig stattfindenden Vorgängen. Massereiche Sterne
stehen hier meist im Zentrum der Sternentstehungsregionen und überstrahlen alles mit ihrem Glanz.
Ungezählte rotschimmernde Lichtkügelchen tauchen aus den dunklen Wolken hervor oder
lassen sich tief in ihnen verborgen erahnen. Aber auch die Wolken selbst zeigen harte
Übergänge "Schockfronten", an denen die Sternentstehung gebremst oder vielleicht doch
gefördert wird? Oft geht alles so schnell "in Sachen Sternentstehung", daß viele der Kleinen
(wie so oft) schlicht zu kurz kommen. Die massereichen Sterne in den Zentren sind nämlich
gewaltige Windmaschinen "Sternwindmaschinen", um es genauer zu sagen. Der sie verlassende
Strom aus Licht und Teilchen pumpt das sie umgebende Medium so voll Energie, daß die
Bedingungen, derentwegen man angetreten war - nämlich Sterne zu formen - in Windeseile
zunichte gemacht sein können.
Aber warum machen die massereichen, hellen Sterne das so? An dieser Stelle beißt sich
nun die Katze in den Schwanz, denn wir wollen ja zunächst einmal verstehen, wie denn aus
unserer Sonne "die Sonne" werden konnte. Haben wir das verstanden, werden wir auch
verstehen, was unsere Sonne von den massereichen Sternen unterscheidet.
Gehen wir also zunächst einmal davon aus, wir befinden uns in der Wolke aus der letztlich
auch unser Heimatstern hervorging. Was auch immer den Anlaß gab, vor etwa 4.5 Milliarden
Jahren eine große, viele Lichtjahre messende Wolke aus Gas und Staub in sich kollabieren
zu lassen, nun sind wir mittendrin und schauen sozusagen zu, wie da jetzt Sterne und auch
unsere Sonne entstehen. Bei genauer Hinsicht erkennen wir viele Einzelbereiche "Protosterne",
in denen sich das Gas verdichtet. In dem Maße, wie sich die Materie zusammenzieht, stellen wir
aber auch fest, daß diese merklich zu rotieren beginnt. Das kennen wir vielleicht noch aus dem
Physikunterricht: "Drehimpulserhaltung" sagen die Physiker dazu. Ganz gewiß aber kennt man
dieses Phänomen von den Eiskunstläufern, die sich merklich schneller um ihre eigene Achse
drehen, wenn sie die Arme und Beine eng an ihren Körper legen.
So wie die Eiskunstläufer beginnt nun also auch ein Teil des Gases in unserer Sternenwolke,
durch Verdichtung immer schneller zu rotieren. Mit der Verdichtung einhergehend wird das
Gas deutlich heißer, wenngleich es aber auch noch immer eine gewaltige Ausdehnung von vielen
hundert Millionen Kilometern hat.
Immer heißer und schneller wird dieser "Riesenquirl", und dann, als er in seinen Ausmaßen
schon fast wie ein normaler Stern aussieht, bricht das ganze Gebilde auseinander.
Was ist passiert? Ist das nun das Ende? Klassische Fehlzündung? Im Gegenteil, wir haben
gerade dem entscheidenden Schritt bei der Entstehung eines Doppelsterns zugeschaut. Denn
so wie man heutzutage weiß, daß - wie bereits erwähnt - Sterne nur in Verbänden von hunderten
oder tausenden Objekten entstehen, so weiß man auch, daß die kleinen Einheiten innerhalb dieser
Sternentstehungsregionen kaum in der Lage sind Einzelsterne zu produzieren. Der Kollaps der
vielen Regionen, die "gerne Sterne werden möchten", sieht sich mit zunehmender Entwicklung dem
Drehimpulsproblem ausgesetzt und endet - vermutlich ohne Wenn und Aber - in dem
Auseinanderbrechen der Protosterne.
Und dann? Wie geht es dann weiter? Nachdem unser Protostern drehimpulsmäßig "zur Ader
gelassen" wurde, beginnt das Spiel von neuem. Die beiden gerade entstandenen Teilbereiche
kollabieren nun weiter, beschleunigen also auch wieder in ihrer Eigenrotation und … je nach
Lage der Dinge bricht einer von beiden, oder beide, eventuell noch einmal auseinander, bevor
es zur eigentlichen Geburt des Sterns kommt. In ersterem Fall haben wir dann ein Tripel, ein
Dreifachsternsystem, so wie in Abbildung 2, in letzterem Fall bildet sich dann ein Quadrupel,
ein Vierfachsternsystem also.
Abbildung 2: Aufnahme eines nahen Dreifachsystems. Bis zum Jahr 2001 galt der helle,
sonnenähnliche Stern mit der Katalogbezeichnung "HR 5534" als Einzelobjekt am Himmel.
Dann jedoch entdeckte das Gemini North 8 m Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii zwei
schwache Begleiter. Diese hier mit B und C bezeichneten Komponenten von HR 5534 sind
jedoch so lichtschwach, daß nur die extreme Überbelichtung von HR 5534 und modernste
Beobachtungstechniken diese zum Vorschein bringt. HR 5534 B und C haben jeweils nur
etwa 7% der Masse unserer Sonne bzw. der von HR 5534 A und sind daher vermutlich sogar
etwas unterhalb der gültigen Massengrenze, um sie als "echte" Sterne einstufen zu können.
(aus Potter et al., Astrophysical Journal, Band 567, Seite L133, März 2002)
Aber noch höhere Sternsysteme sind ohne weiteres möglich. Wenn sie zum Beispiel ein kleines
Teleskop besitzen sollten, so werden sie feststellen können, daß der helle Stern Castor in den
ZWILLINGEN aus zwei Objekten Castor A und Castor B besteht. Aus der genauen Analyse
des Lichts weiß man jedoch, daß jeder dieser beiden Sterne selbst wiederum ein Doppelstern
ist, also Castor Aa und Ab und Castor Ba und Bb. Und wenn sie womöglich einen Sternenkatalog
zur Hand haben sollten, werden sie dort vielleicht auch noch einen Hinweis auf "Castor C" finden,
ein recht schwaches Lichtpünktchen am Himmel und in einigem Abstand zu Castor A und B, das
auch mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar ist. Dennoch gehört aber auch dieser Stern zu der
Wolke, aus der Castor letztlich hervorging. Castor C ist übrigens - und sie werden es bereits
vermuten - selbst auch wieder ein Doppelstern, also bestehend aus Castor Ca und Castor Cb.
Beide Komponenten sind etwa gleich hell und stehen in einem geringen Abstand zueinander,
so daß sie nur wenige Stunden für einen Umlauf um den gemeinsamen Schwerpunkt benötigen.
Insgesamt gesehen ist Castor also ein Sechsfachstern.
Doch zurück zur Sonne. War diese denn bei ihrer Geburt auch ein Doppelstern? Die
Antwort lautet: wir wissen es nicht. Aber drei Szenarien dürfte man in die engere Wahl
ziehen.
A. Die Sonne war bei ihrer Geburt ein Doppelstern, der aber später zu einem Einzelobjekt
verschmolz. Solche Vorgänge beobachtet man in der Tat, im Fall der Sonne würde man
diesen Prozess aber möglichst weit in die Vergangenheit zurückdatieren wollen, also in die erste
1 Milliarde Jahre ihrer insgesamt 4.5 Milliarden Jahre langen Entwicklung.
B. Die Sonne war bei der Geburt der "Juniorpartner" in einem im wechselseitigen Spiel
der Anziehungskräfte instabilen Dreifachsternsystem. Als solcher wurde sie dann relativ
schnell (d.h. in einem Zeitraum von vielleicht hundert Millionen Jahren) einer
Billardkugel-gleich aus dem Verband geworfen und treibt seitdem als Einzelobjekt durch
die Milchstraße. Ihre beiden ehemaligen Begleiter hingegen rückten enger zusammen und
präsentieren sich fortan als gewöhnlicher Doppelstern.
C. Eine Laune der Natur ließ es zu, daß mit unserer Sonne ausnahmsweise ein seltener
Einzelstern entstand, der es bei seiner Geburt schaffte, nahezu den gesamten
Protostern-Drehimpuls auf seine mit ihm gebildeten Planeten abzuwälzen. Das jedoch
würde bedeuten, daß wir mit unserem Sonnensystem eher einen Spezialfall darstellen.
Und in der Tat, nicht nur der Umstand, daß es hier einen blauen Planeten gibt, sondern
auch weitere - noch an anderer Stelle näher zu besprechende - Gründe lassen den
Schluß zu, daß unser Sonnensystem womöglich etwas ganz besonderes ist.
Doch was macht letztlich die Gaswolken oder Protosterne zu Sternen? Wenn ein solches
Objekt schließlich in seinem Inneren heiß genug geworden ist - wobei "heiß" hier mehrere
Millionen Grad bedeutet - beginnen seine Wasserstoff-Atomkerne zu verschmelzen, die
Kernfusion setzt ein: aus Wasserstoff wird so das Element Helium.
Dieser Prozeß ist - wen würde es wundern - zunächst nicht einfach umsetzbar. Hat man
jedoch erst einmal die Eingangsbarriere mit Hilfe der hohen Temperaturen überwunden, so
werden durch den Verschmelzungsprozeß gewaltige Energiemengen frei. Das ist dann
letztlich das "Leuchten" der Gaswolke, das, weswegen wir diese "Stern" zu nennen pflegen.
Für uns auf der Erde ein ganz erfreulicher Vorgang, denn ohne diese Energiequelle gäbe es
auf unserem Planeten kein Leben. Für die Sonne selbst, ist die Kernfusion die Möglichkeit,
der gewaltigen Gravitationskraft für viele Milliarden Jahre Einhalt zu gebieten.
Welche Energiemengen dabei um- bzw. freigesetzt werden, was das für unseren Planeten
bedeutet und wie die Sonne sich in den nächsten 3 bis 4 Milliarden Jahren bis zu einem
Umkehrpunkt zu einem immer heißeren Stern entwickeln wird, davon handelt der dritte Teil
vom Stern, den wir "Sonne" nennen im nächsten Monat.
Bleibt an dieser Stelle aber noch die Frage zu klären, was aus den anderen - hundert oder
tausend - Sternen geworden ist, die seinerzeit zusammen mit der Sonne entstanden sind. Auch
hier bleiben wir die Antwort dahingehend schuldig, daß wir heute - nach 4.5 Milliarden Jahren -
nicht einen von ihnen mehr eindeutig zur ursprünglichen Entstehungswolke zuordnen können.
Mag sein, daß der ein oder andere ehemalige Begleiter der Sonne auch heute durchaus mit bloßem
Auge am Nachthimmel zu sehen ist, nur ob und wer das sein könnte, bleibt unbekannt…
Abbildung 3: Die Sonne heute (links), und vor 4.5 Milliarden Jahren, vom Strand von Tazacorte aus gesehen. Sollte die Sonne seinerzeit als Einzelstern entstanden sein, so hatte sie nur etwa 90% des heutigen Durchmessers, wie es in der mittleren Teilabbildung angedeutet ist. Für den Fall jedoch, daß die Sonne zunächst als Doppelstern aus zwei gleichhellen Objekten (ähnlich wie Castor C) entstanden sein sollte, hätten diese - wie rechts angedeutet - einen kleinen Durchmesser und eine rote Farbe gehabt. Zudem hätten beide Sterne zusammen nur etwa 1% der Leuchtkraft der heutigen Sonne besessen, so daß auch tagsüber der Himmel deutlich dunkler gewesen wäre. (Es sei hier am Rande angemerkt, daß es vor 4.5 Milliarden Jahren natürlich weder den Strand von Tazacorte noch die Insel La Palma gab.)