Im letzten Monat führte uns das Interesse an dem hellsten Stern des
Nachthimmels - dem Sirius - ironischerweise auch zu einer anderen Gattung
von "dunklen Sternen", nämlich den Weißen Zwergen. Da Sie gerade diesen
Text lesen, gehe ich davon aus, daß es vor allem das Licht der Sterne ist,
das Sie fasziniert. Die Milchstraße, die verschiedenen Sternbilder und die
zahllosen Objekte am Nachthimmel, die sich schon mit einem Feldstecher
erschließen, üben eine magische Anziehungskraft auf viele Menschen aus.
So wie jede Münze aber ihre zwei Seiten hat, gibt es auch im Reich der Sterne
eine dunkle Seite, nämlich eben besagte Weiße Zwerge, denen wir in den
Monatsthemen noch des Öfteren begegnen werden. Wegen ihrer zentralen
Rolle für das Verständnis der Milchstraße, werden wir daher in dieser Ausgabe
noch einmal an Sirius B anknüpfen und uns etwas näher mit den Weißen Zwergen
und ihren Eigenschaften beschäftigen.
Wir hatten schon im Zusammenhang mit Sirius B besprochen, daß ein Weißer Zwerg
ein toter Stern ist, ein Objekt also, das nur noch auskühlt und keine eigene
Energieproduktion mehr betreibt. Vergleichen Sie ihn ruhig mit einem Kaminofen,
dem das Feuer ausgegangen ist und der zunächst schnell, dann aber immer langsamer
auskühlt. Als unser Weißer Zwerg noch "lebte" und eine Sonne - also eine heiße
Gaskugel - vergleichbar der unseren war, füllte er auch ein recht großes Volumen
von typischerweise mehr als 1 Millionen Kilometern im Durchmesser aus. Nun aber,
da die Kernfusion versiegt ist, drückt die Massenanziehung, oder Gravitation, den
Stern auf ein Volumen von der Größe der Erde zusammen. Wir hatten schon bei dem
Weißen Zwerg Sirius B erwähnt, daß hierbei der Durchmesser auf 1 Prozent des
ursprünglichen Wertes zusammenschrumpft und somit die Dichte 1 Millionen Mal (!)
größer wird. Nehmen Sie z.B. einen Radiergummi zur Hand und stellen Sie sich vor,
dieser wiege soviel wie ein LKW, dann bekommen Sie in etwa ein Gefühl für die
unvorstellbar hohe Dichte, die Sie in einem Weißen Zwerg vorfinden!
Auch hatten wir schon besprochen, daß den Astronomen bereits vor etwa 100 Jahren
diese Erkenntnis vorlag. Nur: niemand konnte erklären, wie diese Objekte überhaupt
existieren konnten. Allerdings war zu dieser Zeit auch überhaupt nicht klar, wo denn die
"normalen" Sterne ihren Energievorrat her hatten. Beide Fragen konnten dann aber
in den 1920 und 1930er Jahren des letzten Jahrhunderts mit der genauen Erforschung
der Atome und der sie beherrschenden Kernkräfte beantwortet werden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Physiker durch Experimente zu dem Schluß
gekommen, daß Wasserstoff - das einfachste aller Atome - aus einem winzigen, positiv
geladenen Kern, dem "Proton", und einem ebenso winzigen, negativ geladenen "Elektron"
aufgebaut ist. Das Elektron läuft hierbei, ähnlich einem winzigen Planetensystem, um den
Atomkern. Allerdings sind dem Elektron nicht beliebige Bahnen gestattet, sondern nur
solche in wohl-definierten Abständen. Zwischen diesen Bahnen, so lernte man, konnte das
Elektron nun aber hin und her springen, wobei immer ein Quantum Energie benötigt bzw.
frei wurde und in letzterem Fall in Form von Licht abgestrahlt wurde. Ein wesentliches
Element der in den 1920er Jahren aufkommenden Quantenmechanik war dann allerdings,
daß man sich die Welt der Atome nicht als kleine "Kügelchen" vorzustellen habe, was
insbesondere in der von Werner Heisenberg gefundenen "Unschärferelation" zum
Ausdruck kam. Diese verbietet es prinzipiell, den genauen Ort eines Elementarteilchens
bei gleichzeitiger Kenntnis seines genauen Impulses (=Masse x Geschwindigkeit) zu
beschreiben, so wie man es z.B. für eine Kugel beim Billardspielen als "normal" erachten
würde. Die Welt der Elementarteilchen ist schließlich doch weitaus komplizierter und
insbesondere unsere Vorstellungskraft sehr begrenzt. Unabhängig davon lassen sich aber
auch schwer verständliche Dinge in physikalische Formeln fassen und so letztlich mit
Hilfe der Mathematik auch gut beschreiben.
Wir können an dieser Stelle natürlich keinen detaillierten Einstieg in die Atomphysik
betreiben und müssen uns hier darauf beschränken, einige wenige Punkte zu skizzieren.
Die 1920er Jahre waren jedenfalls ein goldenes Zeitalter der Physik, und am Ende dieses
einen Jahrzehnts waren viele wesentliche Dinge zum Verständnis der Materie offenbar
geworden. Neben Heisenbergs grundlegender Erkenntnis erwähnen wir an dieser Stelle
das von Wolfgang Pauli gefundene so genannte "Ausschließungsprinzip", wonach die
Elektronen nur bis zu einer gewissen maximalen Dichte aufeinander "hocken" dürfen.
Wenn man sich dieser nähert, so werden diese einen Widerstand bzw. einen Druck - den
so genannten Elektronendruck aufbauen. Daß dieser letztlich die Weißen Zwerge an ihrem
Kollaps hindert, war sodann Ralph Howard Fowlers Erkenntnis im Jahre 1926, wobei sich
aber auch abzeichnete, daß die Materie in diesem extremen Dichtebereich ziemlich "entartete"
Eigenschaften aufweist.
Hierzu gehört insbesondere der Feststellung, daß die Weißen Zwerge mit viel Materie kleiner
sind als diejenigen mit wenig Materie. Stellen Sie sich hierzu vor, sie sind in Puerto Naos am
Strand und schichten einen Sandhaufen auf. Je mehr Sand sie aber zusammentragen, um so
kleiner wird ihr Haufen! Das widerspricht natürlich unserer Erfahrung und wohl jeder müßte
denken, da geht es nicht mit rechten Dingen zu. Der Materiezustand, in dem sich die Weißen
Zwergen befinden, wird daher auch zu Recht als "entartet" bezeichnet. Dahinter steht letztlich,
daß man dieses Massenspiel nicht beliebig wird fortführen können und daß auch die
Elektronen dem Druck der Materie nicht uneingeschränkt werden standhalten können…
Bei mehr als 1.4 Sonnenmassen, so die Erkenntnis des jungen Subrahmanyan Chandrasekhar
in den 1930er Jahren, kollabiert dann auch ein Weißer Zwerg, allerdings unter Aufgabe der
normalen Atomstruktur, wobei dann nämlich die Elektronen in die Atomkerne hineingepreßt
werden.
Abbildung 1: Geburt eines Weißen Zwerges: wenn keine weiteren Kernfusionsprozesse
mehr in Gang kommen, befreit sich der sterbende Stern von seiner Hülle und legt so seinen
"entarteten" Kern - den Weißen Zwerg frei, den man hier als weißen Punkt in der Mitte erkennt.
Dieser ist zunächst an der Oberfläche mehr als 100000 Grad heiß, kühlt aber in der Folge
auch relativ schnell aus. Die heute kühlsten Weißen Zwerge dürften so bereits weniger als
3000 Grad Oberflächentemperatur erreicht haben und die Suche nach ihnen ist eines der
Abenteuer der modernen Astronomie.
Wenn dieser aus dem Kern eines alten Sterns entsteht, so ist er zunächst über 100000 Grad
heiß und meist noch von einer Hülle aus Materie umgeben, die in der Folge in den Weltraum
abgeblasen wird, so wie man es in der Abbildung 1 des berühmten Helix-Nebels im Sternbild
Wassermann erkennen kann. Nach etwa 100 Millionen Jahren - astronomisch gesehen ein
eher kurzer Zeitraum - hat ein solcher Weißer Zwerg dann nur noch 25000 Grad, was ziemlich
genau der aktuellen Oberflächentemperatur von Sirius B entspricht (während Sirius A etwa
mit 10000 Grad strahlt). Wenn der Weiße Zwerg dann in der Folge weiter auskühlt, beginnt er
in seinem Inneren, wo die größten Dichten vorherrschen, auszukristallisieren. Da viele der
Weißen Zwerge im Kernbereich aus Kohlenstoff (und Sauerstoff) bestehen, haben wir es
dann also mit unvorstellbar dichten "Diamanten" zu tun, mit Diamanten allerdings, die eine
Masse von 10^30 kg - ausgeschrieben: 1 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 kg -
bzw. 5 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Karat haben! Wie bescheiden nimmt
sich dagegen der "große" 530 Karat Diamant "Star of Africa" der britischen Krone aus…
So wie es aussieht - und auch dazu werden wir uns noch näher unterhalten müssen - gibt es in
unserer Milchstraße viele Milliarden dieser "Diamanten", wie sie in Abbildung 2 dargestellt sind.
Der Weiße Zwerg von Sirius, also Sirius B, ist allerdings noch zu jung und zu heiß, um in seinem
Inneren auch auskristallisiert zu sein. Er hat derzeit erst ein Alter von ca. 100 Millionen Jahren
erreicht und wird erst in 1 Milliarde Jahre mit der Kristallisation beginnen.
Abbildung 2: Künstlerische Darstellung eines im Kernbereich bereits auskristallisierten
Weißen Zwerges. Viele dieser toten Sterne bestehen im Wesentlichen aus einem
Kohlenstoff-Sauerstoffgemisch, eingebettet in einen dünnen Kokon aus Helium und
Wasserstoff (hier: die blaue Hülle). In unserer Milchstraße befinden sich viele Milliarden
dieser generell schwer zu beobachtenden Objekte.
(Zur Abbildung: siehe http://cfa-www.harvard.edu/press/pr0407image.html.)