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Carlo, San Borondón

Kein Seglergarn:
Die Bruden av Mandal
3. Kapitel


              

Die nachfolgende Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit anderen Berichten oder Erzählungen ist rein zufällig. Gleiches gilt für die verwendeten Namen, Bezeichnungen, Techniken und geografischen Orte

Der Wind war leicht aus Nordost aufgefrischt. Chris holte die Segel ein und setzte die Fock back. Die Bruden trieb auf der Stelle. Nur langsam kam das Dingi näher. "Der liegt so tief im Wasser als ob er kurz vorm Absaufen ist", erzählte Gru, die den Anstrengungen des Ruderers im Kieker folgte, "lass uns 'mal eben die Maschine anwerfen, dann wissen wir, was los ist! - Das scheint ein Mann zu sein, aber er ist sehr schmal in den Schultern. - Er hat lange blonde oder weiße Haare. Jetzt dreht er sich um, ich glaube er kann nicht mehr - komm, wirf den Jockel an!"

"Hola", meinte Chris von sich geben zu müssen. Er hatte etwa zwei Längen entfernt östlich vom Dingi in Luv beigedreht. Er deutete mit der Hand einen Gruß an und versuchte sich mit einigen spanischen Brocken. Noch während er seine Worte rief, überkam ihn die Sinnlosigkeit seines Fragens. Gru stand wie angewachsen am Heckkorb und verinnerlichte den Anblick eines hochgewachsenen Mannes mit langem schmalen Gesicht, dass in seiner Blässe nur wenig von den weißen Haaren abstach. Unter intensiv blickenden großen Augen verlief ein langer weißer Bart in das einrahmende Haupthaar, das sich um ein weit geschnittenes blusenartiges Hemd legte. So weiß wie das Hemd war die enganliegende knielange Hose. Der Mann hatte sich an den Bug des altertümlich anmutenden Gefährts begeben und hielt einen Tampen hoch. Er wirkte sichtlich erschöpft.

"De donde eres" versuchte sich Chris wieder? Der Mann winkte mit seinem Seilende und zeigte auf das Heck der Bruden - eine eindeutige Geste. Es lag Chris auf der Zunge, ihm die Position zu nennen und eine gute Reise zu wünschen, aber Gru sprang in seine schwankende Gedankenwelt. Sie hatte sich aus ihrer Verblüfftheit gelöst. Wenn das alles heute Morgen jenseits einer normalen Vorstellungskraft lag, dann war das hier zwar eigenartig aber begreifbar. Sie hatte einen Festmachervorlauf aus der Back geholt und über das Dingi geworfen. "We'll pick you up" ließ sie dem Tampen folgen. Der Mann bewegte sich vorsichtig in die Mitte des Dingis und knotete das Ende an seine Bugleine. Gru holte die Leine ein und legte sie auf eine Klampe. Die beiden Boote dümpelten keine Länge mehr nebeneinander. Chris war auf das Deckshaus gestiegen und konnte einen Blick in das Dingi werfen. Auf Baumstämmen und starkem Astwerk lagerte in der Mitte des Bootes ein kleines, metallenes Gestell, das seine Aufmerksamkeit fesselte. "Wir müssen versuchen, ihn an Bord zu holen, aber ich fürchte, er muss in's Wasser, so kriegen wir ihn nicht rüber. Er soll sich eine Schwimmweste abholen. Wirf ihm eine Leine zu!" Chris gestikulierte, um dem Mann klarzumachen, was er vorhatte. Offensichtlich fand er Verständnis für sein Vorhaben, aber der Mann winkte ab und zeigte auf das Metallgestell. Der Wind hatte aufgebrist. Ein Untergang des Dingis war bei dem geringen Freibord nur noch eine Frage der Zeit.

Gru hatte in Lee das Fallreep angebracht, und was jetzt passierte verschlug ihnen fast die Sprache. Der Mann war über Bord gesprungen, hatte mit einigen Zügen das Reep erreicht und stand vor ihnen. Chris griff nach seinem Messer. "My name is Spencer", vernahmen sie die Vorstellung der seltsamen Erscheinung. Der Mann dankte ihnen, und er werde ihnen alles später erklären. Wichtig sei die Bergung des kleinen Gestells. "Es ist sehr, sehr schwer, und wir müssen uns beeilen! Es wiegt einige hundert Pfund" fügte er lächelnd hinzu. Wir werden es an Deck festzurren und brauchen eine feste Unterlage, die das Gewicht verteilen kann! Stellt bitte jetzt keine Fragen und helft mir bei der Bergung!" Gru fand als erste die Sprache wieder: "OK, das ist Chris und ich bin Gru, und du siehst zu, dass du dir eine Rettungsleine schnappst und wieder von Bord kommst, während wir das hier machen. Chris, los. Hol den Spibaum. Wir packen die Dalbenfender mitschiffs hin und vertäuen das Ding da!" Sie zerrte die massiven Bohlen aus der Halterung und verspannte sie auf Deck. Chris hatte den Spibaum nach achtern gezogen und am Hauptmast eingepiekt. Dann löste er das Ersatzfall, ein fünf Millimeter Stahlseil, das über einen Block vor dem Mast lief und klinkte es in die Nock vom Spibaum ein, durch die er einen dicken Festmacher gezogen hatte. Er zog das Seil auf der Ersatzwinsch an, der Spibaum ging außenbords und knallte gegen die Unterwant, wo Chris ihn mit einem Bändsel einfing und zwischen Want und Seereling festband. Spencer hatte bald die beiden Enden des Festmachers erwischt und das eine Ende im Gestell verknotet. Am anderen Ende holte er das Dingi behutsam unter die auf und ab schwingende Nock des Spibaums. Keine vier Meter von der Bordwand der Bruden entfernt pendelte die Nock immer mehr über dem Gestell auf und ab bis sie es fast berührte. In einem nahen Moment zog Spencer den Laufknoten zu und warf sich in das Boot.

Von der plötzlichen Schlagseite wurde Gru völlig überrascht. Die Bruden krängte über und nahm Wasser an Deck. Gru rutschte in die Seereling und sah wie mit der nächsten Welle unter dem Schlag des Gestells die Heckbank des Dingis zerbarst. Dann kam das Dingi frei und schwamm wie erlöst an der Schleppleine davon. Spencer war wieder auf dem Weg zur Bruden und kroch Sekunden später an Deck. Chris hatte die Maschine angeworfen und die Hydraulik der Winsch aktiviert. Er hievte Zentimeter um Zentimeter den Spibaum hoch. Was mochte das Ding nur wiegen?! Gru war wieder mittschiffs und peilte über das Seegeländer. "Halt, es ist hoch genug, ich hole es jetzt"! - "Lass die Finger davon, das haut uns das ganze Schiff auseinander" brüllte Chris los. Er vibrierte am ganzen Körper. Er versuchte vergeblich mit dem Piekhaken die ausgelaufene Nokschot einzufangen, die er als Achterholer angebracht hatte. Mit einem Satz war Spencer wieder im Wasser und fischte die Schot und sich an der Rettungsleine hoch. Chris zog sie um eine Schotwinsch und wies Spencer an, zu Gru zu kriechen, um ihr beim Einholen der Vorderschot zu helfen. Nach einer Minute des Bangens richtete sich die Bruden wieder auf.

Nach dieser Erfahrung verlaschten sie das Gestell auf den Dalbenfendern nach allen Seiten. Der Wind hatte auf 4 Windstärken zugenommen und quer laufende Seen aufgebaut. Gru überkam ein unerklärliches Gefühl der Zufriedenheit. Sie hatte für Spencer einige trockene Sachen herausgesucht. Jetzt stand er lachend vor Ihnen, während die Bruden Kurs auf El Hierro nahm.


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